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Erstes
Kapitel: Tschingis Chaans
( Dschingis Khan, Chinggis Khaan, Genghis Khan )
Vorfahren
und seine Kindheit
Info: Xiongnu
Xiōngnú
(chin. 匈奴, W.-G. Hsiung-nu) ist die chinesische Bezeichnung für einen
Stammesbund aus Reiternomaden, der zwischen dem 3. Jahrhundert v. Chr.
und dem 4. Jahrhundert weite Teile Zentralasiens kontrollierte. Die
Xiongnu gründeten das erste Steppenimperium in der Geschichte
Zentralasiens als Maßnahme gegen Chinas Eroberungspolitik.[1] Sie
wurden nach Niederlagen gegen die Chinesen und gegen benachbarte Stämme
aufgesplittert und zum Teil westwärts abgedrängt. Die Xiongnu werden
erstmals in chinesischen Quellen im Jahr 230 v. Chr. erwähnt, auch wenn
angenommen werden kann, dass sie den Chinesen bereits früher bekannt
waren. Insbesondere dürften sie Auswirkungen auf die chinesische
Kriegführung während der Zeit der Streitenden Reiche gehabt haben. Die
beängstigende Mobilität der Truppen der Xiongnu führte zum Bau der
ersten großen chinesischen Mauer durch Kaiser Shihuangdi.[2] In
Europa wurde für die Xiongnu teils der Begriff Hunnen verwendet, da die
ältere Forschung von einer Verbindung zwischen diesen beiden Gruppen
ausging. Die Ethnizität der Xiongnu ist in der Forschung umstritten.
Die heutigen türkischen und mongolischen Völker sehen in ihnen ihre
unmittelbaren Vorfahren, was auch von mehreren Forschern unterstützt
wird.[3][4][5][6] Anhand der aktuell verfügbaren Dokumente ist dies im
Hinblick auf die sprachliche und die ethnische Komponente aber nicht
zweifelsfrei nachgewiesen.[7] Daneben wurde unter anderem auch
vermutet, die Xiongnu hätten eine jenisseische Sprache (Ketisch)
gesprochen.[8] In der neueren historischen und archäologischen
Forschung werden Hunnen und Xiongnu in der Regel nicht mehr
gleichgesetzt,[9] was auch dadurch begründet ist, dass es sich bei den
frühen Nomadenvölkern um Stammeskonföderationen handelte, die sich aus
verschiedenen ethnischen und kulturellen Gruppierungen zusammensetzten
und sich je nach Situation in rudimentären Staatswesen organisierten,
trennten und neu organisierten (vgl. dazu Staatenbildung bei frühen
Nomadenvölkern). In diesem Zusammenhang spricht auch die große
zeitliche Differenz gegen eine Verbindung von Xiongnu und Hunnen. Ursprünge Namensvarianten und Abgrenzung zu den „europäischen Hunnen“ Nach
heutiger Erkenntnis spricht vieles für eine Herkunft der Xiongnu aus
der heutigen Mongolei und der angrenzenden Altai- und Sajangebirge. Die
unterschiedlichen Namen Xiongnu und Hunnen werden oftmals zur
Illustrierung unterschiedlicher Sachverhalte verwendet: Die
chinesische Bezeichnung Xiongnu wird in aller Regel nur für das Reich
Mao-tuns verwendet und kennzeichnet die wohl stärker
alttürkisch-mongolisch geprägten Gruppen (Augenform usw.) im Osten. Die
Bezeichnung Hunnen kennzeichnet in der Forschung hingegen die Gruppe
von (sehr wahrscheinlich zentralasiatischen) Stämmen, die um Mitte des
4. Jahrhunderts n. Chr. nördlich des Kaukasus lebten und schließlich
375/76 nach Westen vorstießen und damit die Völkerwanderung auslösten.
Die neuere Forschung betont, dass es keinen Beweis für eine Verbindung
zwischen Xiongnu und den in spätantiken Quellen als „Hunnen“
bezeichneten (wohl heterogene) Gruppen gibt. Allerdings ist es möglich,
dass diese Gruppen den Namen der Xiongnu als Prestigenamen übernahmen,
ohne mit diesen verwandt zu sein.[10] Vorgeschichte Die
Xiongnu gingen aus einer Verschmelzung verschiedener Altai- und
Sajanvölker hervor. Dort vermischten sich über mehrere Jahrhunderte
etliche indogermanische Gruppen (Saken, Sarmaten) einerseits und
mongolische Volksteile aus der Taiga sowie aus dem chinesischen
Randgebiet vertriebene Viehzüchter andererseits. Die Chieh, einer der
19 Stämme der Xiongnu-Konföderation wurden zum Beispiel an ihren langen
Nasen und vollen Bärten erkannt (349 v. Chr.). Im 8. Jahrhundert v.
Chr. verzeichnet man am Altai bereits Pferdeschirrungen und das Fehlen
fester Siedlungen. Den Chinesen waren diese „Barbaren“ unter den
nacheinander benutzten Sammel-Bezeichnungen Jung, Ti und Hui und
Hiu-yun bekannt. Die Ti werden beispielsweise in zwei Feldzügen (714
und 541 v. Chr.) als zu Fuß kämpfend beschrieben. Die Xiongnu – laut
gängiger Überlieferung ein „Zweig“ der oben aufgeführten Stämme – waren
überwiegend als Reiternomaden anzusehen. Doch einige von ihnen werden
in Transbaikalien als sesshaft beschrieben. Als legendenhafter
Stammvater der Xiongnu gilt Chungvi Khan, der erstmals 1800 v. Chr.
erwähnt wird. Im Jahre 1766 v. Chr. soll in Inschriften der
chinesischen Xia-Dynastie erwähnt worden sein, dass Kia – das 17.
Mitglied dieser Dynastie – entmachtet wurde. Laut dieser legendenhaften
Aufzeichnung begründete Kias Sohn Sunni mit 500 Stammesangehörigen den
eigenständigen Hui-Stamm. Sunni begründete vielleicht auch den
bedeutenden Tuyku-Klan, auf den sich vor allem die Herrscher der
Xiongnu zurückführten. Dieser war mit dem Klan der Aschina-Chuni eng
verwandt und auf diesen Klan führten sich alle späteren Herrscher der
Gök-Türken zurück. Im Zeitraum von 350 bis 290 v. Chr. entstanden
Befestigungsanlagen an den Nordgrenzen der chinesischen Teilreiche, die
Vorläufer der Großen Mauer. Der Zhou-König Wu-ling (325–298 v. Chr.)
z.B. ließ seine Truppen Reiten und Bogenschießen üben und übernahm auch
die Kleidung seiner Feinde. Im 26. Jahr seiner Regierung vernichtete er
die Wald-Xiongnu. Für 318 v. Chr. wird zum ersten Mal ein historisches
Dokument überliefert, das nicht in den Bereich der Legenden zu
verweisen ist: Ein Grenz-Vertrag zwischen den Chinesen und Xiongnu wird
unterzeichnet. Die Xiongnu Über
die Xiongnu liegen insbesondere durch die Schriften des ersten großen
chinesischen Historikers Sima Qian († 85 v. Chr.) recht detaillierte
Beschreibungen vor. Einiges davon erinnert an die Beschreibungen
Herodots der skythischen Eigenschaften. So hebt auch Sima Qian die
besondere Mobilität der Xiongnu-Krieger, ihre raschen Angriffe und die
überraschenden Rückzüge hervor, die erfolgen, sobald der erste Schwung
gebrochen ist.[2] Staatsgründung Im
3. Jahrhundert v. Chr. gründeten die Xiongnu unter T'ou-man und seinem
Sohn Mao-t'un (209–174 v. Chr.) ein großes Reich, das mehrfach
Han-China bedrohte und zeitweise in ein fast tributäres
Abhängigkeitsverhältnis brachte. Zu Sima Qians Zeiten gab es eine
Vereinbarung über jährliche Lieferungen von Seide, Gold, Getreide und
anderen Materialien an den Chanyu der Xiongnu.[11] Der Schwerpunkt
dieses Reichs war die Mongolei, speziell das westmongolische Gool Mod,
das sich in der Nähe des Mongolischen Altais befand und das
zentralmongolische Ötüken'de Noyon-Uul (dem heutigen Noin Ula). Die
Regierungszeit des Staatsgründers T'ou-man fiel ungefähr mit der
Regierungszeit des chinesischen Kaisers Shihuangdi zusammen.[2] Die
Hauptrivalen der Xiongnu bei der Reichsgründung Mao-t'uns waren die
gleichfalls nomadischen Stämme der Yüe-tschi im heutigen Kansu, die als
Söldner der Chinesen galten und möglicherweise mit den Tocharern
identisch sind. Um 177 v. Chr. waren sie samt ihren Nachbarn erstmals
besiegt, was Mao-t'un dem Han-Kaiser höflich mitteilte: Der Große
Schanyu von Xiongnu, den der Himmel auf den Thron erhoben hat,
erkundigt sich ehrerbietigst beim Kaiser, ob er frei von Kummer sei.
[...] Dann hat er Lö-lan, Wusun und Ho-k´ut mit 25 naheliegenden
Reichen niedergeworfen, diese sind somit alle zu Xiongnu gemacht, und
die Völker, welche Bogen spannen, sind nunmehr zu einer einzigen
Familie vereinigt. Für das Xiongnu-Reich Mao-t'uns sind uns durch
die chinesischen Schriftgelehrten des Altertums zwei Banner überliefert
worden, die sich allerdings sehr ähnlich waren: Goldfarbene und Rote
Tücher mit einem Drachen in der Mitte, die sich die beiden
Xiongnu-Herrscher von den Chinesen entliehen hatten. Vor der
Reichsgründung führten die Stämme der Xiongnu weiße Tücher, in denen
mittig ein goldener Wolfskopf aufgelegt war. Es werden bei den
Xiongnu auch Elemente eines frühen Staates verzeichnet. In bestimmten
Bereichen galten einheitliche Gesetze und Strafen. Ferner führte
Mao-tun eine schnell einsetzbare militärische Gefolgschaft (Ordu) ein
und es wurde eine starke Zentralverwaltung mit mehreren Rangstufen
geschaffen, die unter Mao-tuns Sohn Ki-ok (Laosheng, reg. 174–161 v.
Chr.) ausgebaut wurde. Letzter führte auch eine Form staatlicher
Abgaben (Steuern) ein. Doch über die unterworfenen Stämme herrschten
die Tuyku- und Aschina-Fürsten nur formal, denn in der Praxis bestanden
die eingegliederten Stämme weiter, die Xiongnu tauschten nur die
jeweilige Führungselite aus. Das Xiongnu-Reich umfasste laut
chinesischen Chroniken vier Völkerschaften und zerfielen in 24 Klans.
Die bedeutenden von ihnen waren: Suylyanti, Kuyan, Lan, Suybu, Tsulin,
Taychi, Uyti und Tsetszuy. 3 Phasen der Staatsgründung Die
Gründung des Xiongnu-Reiches, also des ersten Steppenimperiums
Zentralasiens, sollte eine Vorbildfunktion für nachfolgende türkische
und mongolische Nomadenstaaten haben. Sie durchlief drei Phasen[12]: Phase 1: Die Krise Den
Auftakt zur Staatsgründung lieferte eine Krise, die eine Maßnahme
erforderte. Nach der Zeit der streitenden Reiche folgte 221 v. Chr. die
Einigung Chinas unter Kaiser Shihuangdi, der eine aggressive
Eroberungspolitik gegen die Xiongnu verfolgte. Zur Eroberung des
gesamten „Territoriums südlich des Gelben Flusses“ entsandte er General
Meng Tian mit einem großen Heer. Dies wurde dann zur ersten und
massiven Eroberung von nomadischem Territorium seitens China. Der Gelbe
Fluss verläuft um das Ordos-Plateau, das wiederum eines der besten
Weideländer der Xiongnu und ein wichtiger Stützpunkt für ihre Angriffe
auf China war.[13] Phase 2: Die Militarisierung Diese
Phase trat ca. zehn Jahre nach Staatsgründung zur Regierungszeit
Mao-tuns ein. Wie aus den Schriften Sima Qians hervorgeht, wollte
Mao-tuns Vater Touman, der Herrscher der Xiongnu, Mao-tun (seinen
ältesten Sohn) töten lassen, damit einer seiner jüngeren Söhne seine
Nachfolge antreten kann. Der Vergeltungspläne schmiedende Mao-tun
trainierte sorgfältig die unter seinem Kommando stehende Kavallerie. Er
ließ pfeifende Pfeile anfertigen. Worauf der von ihm geschossene
pfeifende Pfeil hingezielt hatte, sollte seine Kavallerie Pfeile regnen
lassen. Mit der Zeit wurde seine Kavallerie professionell. Auf diese
Weise ließ er seinen Vater Touman, seine Stiefmutter, seinen jüngeren
Bruder und weitere töten, die sich ihm nicht beugen wollten. Dadurch
hatte Mao-tun eine Kavallerie ausgebildet, die nicht dem Stamm sondern
ihm gegenüber treu und ergiebig war und damit eine der
Grundvoraussetzungen zur Gründung eines Imperiums in den Steppen
erfüllt. Andernfalls wäre laut Sima Qian das Soldatenpotential der
Nomadengesellschaft weiterhin unorganisiert und ungeführt geblieben.[14] Phase 3: Die Zentralisierung Die
Zentralisierung kam einer Revolution gleich. Der Übergang vom
dezentralisierten egalitarischen Muster zum zentralisierten
hierarchischen System, das zwischen Clans unterschied und die Macht an
der Spitze konzentrierte, kam plötzlich. Der Auslöser dieses Prozesses
war das Erscheinen eines Herrschers, dessen Herrschaft
stammübergreifend als vom Himmel legitimiert anerkannt wurde
(Mao-tun).[15] Machthöhepunkt Die
Chinesen der Han-Zeit beschrieben die Xiongnu als kampfeslustige,
kraftvolle Menschen mit unterentwickelter Kultur, jedoch sei das
Kriegshandwerk bei ihnen äußerst hoch entwickelt. Besonders die
Reiterei und die Kunst des Bogenschießens wurden von den Chinesen
hervorgehoben. Mao-t'un starb 174 v. Chr. und dessen Sohn Ki-ok (auch:
Laosheng) trat die Nachfolge an. Unter Ki-oks Regierung bedrohten die
Xiongnu 166 v. Chr. Chinas Hauptstadt Chang'an. Um 160 v. Chr. griffen
sie ihre Erzfeinde, die Yuezhi an und besiegten sie endgültig. Ki-ok
fand bei diesem Feldzug den Tod. In der Zeit zwischen 141–128 v. Chr.
ließen sich die Yuezhi ihrerseits in Baktrien nieder, wo auch die
mitgerissenen Saken (Teil der Skythen) verblieben. Die Abwanderung der
Yuezhi und der Saken hatte zur Folge, dass die Xiongnu die
unbestrittene Macht in der Mongolei und wohl auch in ganz Ostturkestan
wurden. Diese Abwanderung kann als von welthistorischer Bedeutung
angesehen werden, da die Yuezhi das letzte griechische Königreich in
Baktrien (das des Heliokles) zerstörten und die Saken wiederum Teile
Nordindiens eroberten. Das ganze Gebiet geriet durch diese Ereignisse
mehr als zuvor ins Bewusstsein der Chinesen.[11] Nach wiederholten
Auseinandersetzungen besiegte Han-China unter Kaiser Wudi die Xiongnu
und drängte diese in ihr eigentliches Stammland zurück: 119 v. Chr.
erlitten die Xiongnu unter Mao-duns Enkel Yizhixie (126–114 v. Chr)
eine schwere Niederlage beim späteren Ulan Bator in der Mongolei, da
der Chanyu den Chinesen unter dem Feldherrn Huo Qubing eine
ungefährdete Durchquerung der Gobi nicht zugetraut hatte. Allerdings
ging die chinesische Pferdezucht in diesem Krieg zugrunde, so dass den
Xiongnu die Kontrolle der Steppe blieb (105. v. Chr. verbuchten sie
wieder einen Erfolg). In diesen Auseinandersetzungen wurde auch die
Kontrolle über die Seidenstraße ein wichtiger ökonomischer Faktor für
die Xiongnu, so dass sich die Chinesen dort festsetzten (102/101 v.
Chr. und 73–94, letzteres unter General Pan Chao). Aufspaltung der Xiongnu Um
60 v. Chr. zerfiel die Herrschaft der Xiongnu in 5 Horden durch eine
Folge von Bruderkämpfen, die von China gefördert wurden. Es gelang
unter Hu-han-yeh (58–31 v. Chr.) noch einmal eine vorübergehende
Einigung. Hu-han-ye ging an den Hof des Han-Kaisers Chinas, unterwarf
sich und triumphierte so über seine Rivalen. Er konsolidierte mit
chinesischer Hilfe seine Macht in der Mongolei (51 v. Chr.). Eine Horde
unter Chih-chih (die Chi-Chi-Hunnen) blieb jedoch unabhängig und zog
westwärts. Sie ließ sich in der Nachbarschaft der Alanen am Tschu
nieder, wo Chih-chih 35 v. Chr. von den Chinesen überrascht und getötet
wurde. Das (östliche) Xiongnu-Reich erneuerte sich unter Hu-han-yehs
Sohn Hudur-shi-dagao (18–45/6), der die späten Han gegen Wang Mang
unterstützte. Nach dieser kurzen Wiedererstarkung zerbrach das Reich 48
in zwei Teile. Hudurs Sohn Pu-nu wurde nicht von allen Stämmen der
Xiongnu als Chanyu anerkannt.[16] 48 rebellierten acht Stämme unter
ihrem Führer Khukhenye (auch als Pi bekannt) gegen Pu-nu (er regierte
45/46–83) und unterwarfen sich dem Kaiser von China. Sie wurden in die
Ordos-Region umgesiedelt (südliche Xiongnu). In dem Krieg der beiden
Vettern hatten sich die verbliebenen (also nicht westwärts gezogenen)
Xiongnu in einen nördlichen und einen südlichen Volksteil aufgespaltet. Die
südlichen Xiongnu eroberten Luoyang und gründeten dort eine
Xiongnu-chinesische Dynastie, die frühe Chao-Dynastie. Es entstanden in
ihrem Zuge weitere kleine Xiongnu-Dynastien. Zu dieser Zeit waren die
größten Feinde der Xiongnu nicht mehr die Chinesen sondern die Xianbei,
eine andere Macht aus dem Norden, deren ethnische Zusammensetzung
unbekannt ist.[16] Die Han hetzten die benachbarten Stämme
(Süd-Xiongnu, Xianbei, Wuhuan, Wusun, Dingling) auf die nördlichen
Xiongnu und siegten. Der han-chinesische General Ban Chao eroberte
während der Herrschaft des Kaisers Han Mingdi Zentralasien. Die
Chinesen arbeiteten dabei immer mehr mit den Xianbei zusammen.[16] Im
Jahr 87 töteten die Xianbei den Chanyu Yu-liu. In den Jahren 89 und 91
trugen zwei chinesische Generäle große Siege an den Chi-la-Bergen und
dem Altai davon. Sie vertrieben den geschlagenen Chanyu an den Ili und
setzten seinen Bruder Youzhujian ein, der aber schon 93 von den Xianbei
besiegt und getötet wurde. Damit begann die Vorherrschaft der Xianbei
in der Steppe. Die Herrschaft der Xiongnu in der Mongolei erreichte um
155 ihr Ende. Die Herrschaft der Xianbei leitete in der Mongolei für
ungefähr 250 Jahre ein Machtvakuum ein.[16] Als Tan-shi-huai (ca.
156–181) die Xianbei zu ihrem Machthöhepunkt führte, gaben die
Nord-Xiongnu laut 3-4 chinesischen Chroniken 158 Ost-Turkestan auf und
ließen sich nördlich von Kangju (d.h. nordöstlich des Aralsees) nieder.
Ab 166 rückte Tan-shi-huai nach, erreichte den Ili. Die Süd-Xiongnu,
bis dahin in einer Art Gefangenschaft an der Großen Mauer (konkret in
Shanxi) gehalten, drangen unter Hu-chu-ch'üan (195–216) als Verbündete
der untergehenden Han-Dynastie immer weiter nach Süden vor. Dabei
gelangte um 260 eine weitere Stammeskonföderation, die großteils
türkischen Tabgatsch (Tuoba), im Norden von Shansi zur Macht.[17] Unter
Liu Cong, dem Attila Chinas (gestorben 318) eroberten die Süd-Xiongnu
noch einmal die Hauptstädte Jin-Chinas, wurden aber schon 352 von den
nachdrängenden Mujung-Xianbei unter ihrem Khagan Tsun vernichtet. Die
Xiongnu hatten sich aber mit der Zeit bedeutend verändert. Auf ihren
langen Zügen hatten sie sich mit anderen – meist indogermanischen –
Völkern vermischt und begannen nun, deren Kultur zu übernehmen. Sie
begannen feste Städte zu errichten und mit ausländischen Staaten regen
Handel zu treiben. Unter anderem gründeten die Xiongnu die Orte Ordu
Balyk und das weiter nördlichere Kara Balagasum, das alte Kuz Ordu.
Aber auch die Städte der Seidenstraße wie Kara Hotscho, Kaschgar und
Jarkand wurden von ihnen begünstigt. Ausblick Im
Jahre 1957 fand man in Gool Mod, dem einstigen Heer- und Hauptlager des
Xiongnu-Chanyu durch Zufall eine riesige Gräberstätte der hunnischen
Xiongnu, darunter auch das Grab des zwanzigsten Chanyu, der 37 n. Chr.
verstarb. Dieses Grab wurde zwischen 2001 und 2002 von einer
französisch-mongolischen Forscher-Gemeinschaft freigelegt. Dabei wurde
unter anderem festgestellt, dass die Xiongnu eine fortgeschrittene
Kultur hatten und nicht das „kulturlose Volk“ waren, als das sie
üblicherweise dargestellt werden. Obschon das Grab bereits kurz nach
seiner Fertigstellung durch „awarische Stämme“ geplündert wurde, fanden
sich dort noch 250 Gegenstände; beispielsweise feine
Goldschmiedearbeiten und chinesische Schlangenornamente, die die
Drachen- und Tiersymbolik der Steppenvölker ablöste, und die die
Beziehungen der Xiongnu zu China aufzeigten, da auch ein chinesischer
Spiegel dem Grabe beigelegt war. Ein anderes bedeutendes Gräberfeld
der Xiongnu ist in Noin Ula (älter Noyon Uul) schon 1912 entdeckt
worden. Erste Ausgrabungen in Noin Ula begannen im Jahr 1924 unter der
Leitung von Kondrat'ev und Teploukhov, welche beide zuvor Teilnehmer
der tibeto-mongolischen Expedition waren. Materielle Kultur Die
Archäologie weist den Xiongnu eine ab etwa 200 v. Chr. in einem weiten
Gebiet von Transbaikalien bis in die Innere Mongolei verbreitete Kultur
zu, die die bronze- und früheisenzeitliche Plattengrabkultur ablöste.
Die Bevölkerung wies, wie Knochenfunde zeigen, sowohl europäische als
auch mongolische Elemente auf. Wichtige Fundstätten sind die Siedlung
von Iwolginskoje gorodischtsche an der Selenga und Noin Ula in der
Mongolei. Im Fundgut zeigen sich Beziehungen sowohl nach China als auch
an den Oberlauf des Jenissei, zur Tes-Stufe und zur Taschtyk-Kultur. Die
Keramik der Xiongu wurde bereits auf der Töpferscheibe hergestellt und
ist in dem weiten Verbreitungsraum recht einheitlich. Es finden sich
hohe, schlanke Gefäße mit engem Hals, konische Schalen und tiefe
Schüsseln mit senkrechtem Oberteil und ausgestrecktem, breiten Rand.
Die Keramik zeigt Glättstreifenmusterung, geritzte Bänder und diverse
Streifenmuster als Ornamentierung auf. Die Xiongnu verfügten über
eine fortschrittliche Bewaffnung, wobei insbesondere Kompositbögen und
eiserne Schuppenpanzer zu nennen sind. Neben Waffen wurden auch
verschiedene Gebrauchsgegenstände, Werkzeuge, das Pferdegeschirr und
Trachtschmuck aus Eisen gefertigt. Unter letzteren finden sich
Gürtelschnallen, Gürtelplatten mit figuralen Darstellungen und
Riemenzungen. Entgegen den antike chinesischen Überlieferungen waren
die Xiongnu keineswegs überwiegend Nomaden. Insbesondere in Baikalien
sind zahlreiche, sehr häufig durch Wälle befestigte protourbane
Siedlungen bekannt. In ihnen wurden Grubenhäuser (Polusemljanki) und
ebenerdige Pfostenbauten gefunden. Die Wirtschaft bestand sowohl aus Viehzucht, insbesondere von Hund, Schaf, Ziege, Rind und Schwein, als auch aus Ackerbau. Die
letzten Funde, die den Xiongnu zugewiesen werden können, stammen aus
der Zeit um 100 n. Chr. Bis zum 5. Jahrhundert bleibt das nördliche
Gebiet weitgehend fundleer, in der inneren und äußeren Mongolei findet
sich anschließend Fundgut der Xianbei, das deutliche Beziehungen zur
Kultur der Xiongnu aufweist. Belege
- ↑ Carter V. Findley Dünya Tarihinde Türkler, S. 39f.; türk. Übersetzung von The Turks in World History
- ↑ a b c Wolfgang-Ekkehard Scharlipp Die frühen Türken in Zentralasien, S. 6
- ↑ Carter V. Findley Dünya Tarihinde Türkler, S. 31
- ↑
„…der überwiegend türkische Stammesbund der Xiongnu…“ Weiers: Türken,
Protomongolen und Prototibeter im Osten, Online-Publikation,
www.zentralasienforschung.de
- ↑
"Über die sprachlichen und ethnischen Beziehungen dieses Volkes ist
nichts Sicheres bekannt, doch deuten verschiedene Anzeichen darauf hin,
dass sie in mancher Hinsicht mit den Türken verwandt waren.“ David
Bivar: Die Nomadenreiche und die Ausbreitung des Buddhismus, in:
Fischer Weltgeschichte, Zentralasien, Band 16, hg. von Gavin Hambly,
Frankfurt am Main 1966, S. 49
- ↑
„Die frühen Hunnen (asiatische Hunnen) werden mit einem Verband von
Nomadenstämmen in Verbindung gebracht, die im 3. Jh. v. Chr. die
Grenzen Chinas unsicher machten und mit ihrer Erwähnung in chinesischen
Quellen ins Licht der Geschichte treten. Führend in diesem Verband
waren die Hsiung-nu, die älteste ethnische Gruppierung der
Turkvölker.“Harald Haarmann: Hunnen, Artikel in: Lexikon der
untergegangenen Völker, S.129
- ↑
Carter V. Findley Dünya Tarihinde Türkler, S. 31; Hans Robert Roemer,
Wolfgang-Ekkehard Scharlipp History of the Turkic Peoples in the
Pre-Islamic Period, S. 52; Peter B. Golden An introduction to the
History of the Turkic Peoples: Ethnogenesis and State-Formation in
Medieval and Early Modern Eurasia and the Middle East, S. 57f.; Nicola
di Cosmo Ancient China and its Enemies: The Rise of Nomadic Power in
East Asian History, S. 163-166
- ↑ Artikel Xiongnu, in: Encyclopaedia Iranica (mit weiterer Literatur).
- ↑
Vgl. unter anderem Di Cosmo, Ancient China, S. 163ff., mit weiterer
Literatur. Siehe auch Timo Stickler: Die Hunnen. München 2007, S. 21ff.
- ↑ Vgl. Stickler, Die Hunnen, S. 24ff.
- ↑ a b Wolfgang-Ekkehard Scharlipp Die frühen Türken in Zentralasien, S. 9
- ↑ Carter Findley Dünya Tarihinde Türkler, S. 40; Di Cosmo Ancient China and Its Enemies, S. 178-186
- ↑ Carter Findley Dünya Tarihinde Türkler, S. 41; türk. Übersetzung von The Turks in World History, S. 29
- ↑
Carter Findley Dünya Tarihinde Türkler, S. 41f.; türk. Übersetzung von
The Turks in World History, S. 29f. unter Verweis auf die englische
Übersetzung von Sima Qians Werk Records of the Grand Historian of China
- ↑ Carter Findley Dünya Tarihinde Türkler, S. 42f.; türk. Übersetzung von The Turks in World History, S. 31
- ↑ a b c d Wolfgang-Ekkehard Scharlipp Die frühen Türken in Zentralasien, S. 10
- ↑ Wolfgang-Ekkehard Scharlipp Die frühen Türken in Zentralasien, S. 11
Literatur
- Autorenkollektiv: Fischer Weltgeschichte Zentralasien. Frankfurt/M. 1991 (ND).
- Burchard Brentjes: Die Ahnen Dschingis-Chans. Berlin 1988.
- Nicola Di Cosmo: Ancient China and Its Enemies: The Rise of Nomadic Power in East Asian History. Cambridge 2002.
- Carter V. Findley: The Turks in World History. Oxford 2005, ISBN 0-19-517726-6.
- Peter
B. Golden: An introduction to the History of the Turkic Peoples:
Ethnogenesis and State-Formation in Medieval and Early Modern Eurasia
and the Middle East. Wiesbaden 1992, ISBN 3-447-03274-X.
- René Grousset: Die Steppenvölker. Essen 1975.
- Elcin Kürsat-Ahlers Zur frühen Staatenbildung von Steppenvölkern. Berlin 1994.
- Otto Maenchen-Helfen: Die Welt der Hunnen. Wiesbaden 1997 (ND von 1978).
- M. G. Moschkowa (Hrsg.): Stepnaja polosa Asiatskoi tschasti SSSR w skifo-sarmatskoje wremja - Archeologija SSSR. Moskau 1992.
- Hans
Robert Roemer, Wolfgang-Ekkehard Scharlipp: History of the Turkic
Peoples in the Pre-Islamic Period. Berlin 2000, ISBN 3-87997-283-4.
- S. I. Rudenko: Die Kultur der Hsiung-nu und die Hügelgräber von Noin Ula. Antiquitas. Reihe 3, Band 7 Rudolf Habelt, Bonn 1969.
- Wolfgang-Ekkehard Scharlipp: Die frühen Türken in Zentralasien. Eine Einführung in ihre Geschichte und Kultur. Darmstadt 1998.
- Denis Sinor: Inner Asia. History - Civilisation - Language. A syllabus. Bloomington 1969.
- Denis Sinor (Hrsg.): The Cambridge History of Early Inner Asia. Cambridge 1990.
- Denis Twitchett, Michael Loewe (Hrsg.): The Cambridge History of China. Bd. 1. Cambridge 1986.
- Joseph Wiesner, Julius von Farkas, Thomas von Bogyay: Die Kulturen der eurasischen Völker. Frankfurt/M. 1968.
Text
aus Wikipedia (15.02.2010)
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