Ode an eine unerwartete Begegnung

 

Maryna Magnin. Am 8. März 2022

-- The original text in French --
-- The text in English --
-- The text in Mongolian: орчуулга Монгол хэл дээр --

Übersetzt aus dem Französischen: Caroline Girod
Die deutsche Übersetzung-Veröffentlichung am 20.
März 2022 Potsdam

    Alles begann am trüben und grauen 19. November 2021. Die Stunden schleppten sich mühsam durch die Galerie (1), in der ich arbeitete, und die Besucher waren nicht an jeder Ecke anzutreffen. Es war ein ganz gewöhnlicher Tag. Plötzlich ging die Tür auf. Ein Mann trat ein.

Wenn man das so sagt, klingt es wie der Anfang eines Films. Aber sind Filme nicht von der Realität inspiriert? Beziehen sie nicht ihre Grundlagen aus der Realität? In meinem Fall handelt es sich nicht um einen Film, ein Buch oder eine Serie, sondern um den Beginn einer schönen und überraschenden Begegnung. Es wird oft gesagt, dass interessante Begegnungen in den unwahrscheinlichsten Momenten stattfinden, wenn man sie am wenigsten erwartet. Jetzt erkenne ich die Wahrhaftigkeit und die Tiefe dieses Satzes. Der Mann, der an diesem Tag in die Galerie kam, war Otgonbayar Ershuu, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Otgo. Er trat sanft und leise ein, wie eine Pusteblume, die geräuschlos auf dem Gras landet.

Er nahm sich die Zeit sich anzusehen, was sich in dem kleinen Laden der Galerie befand: Bilder, Accessoires, Schmuck, Bücher, Kunstgegenstände. Ich arbeitete zu diesem Zeitpunkt an meinem Computer und meine Kollegin Maria arbeitete nicht weit von mir entfernt am zentralen Schreibtisch. Nachdem er sich bei den aktuellen Ausstellungen aufgehalten hatte, trat er an den Schreibtisch, um mit Maria zu sprechen. Normalerweise stellen die Leute, die in die Galerie kommen, die gleichen Fragen: Wie viel kostet dieses oder jenes Objekt? Ist die Ausstellung kostenpflichtig? Wer ist der Künstler, der diese Skulptur oder dieses Gemälde geschaffen hat? Meistens sind es Fragen, die keinen Anlass zu langen Gesprächen geben und nur Antworten ermöglichen, die aus Gewohnheit schon vorher erarbeitet wurden. Selbstverständlich immer mit einem Lächeln. "Höflichkeit geht vor" ist eine Regel, auch wenn die Antwort immer die gleiche sein muss. Doch der Mann, der gerade eingetreten war, stellte nicht diese Art von schnellen Fragen. Er war aus einem anderen, vielleicht interessanteren Grund an diesen Ort gekommen? Nein, Otgo war nicht da, um den Preis für diesen feinen Seidenschal aus Malta oder diese handgefertigten Ohrringe zu erfahren. Sein Interesse galt der Galerie an sich, diesem ehemaligen Lagerhaus, das zu einer Galerie für zeitgenössische Kunst umgebaut wurde. Er sah Maria an und stellte eine erste Frage, woraufhin der Dialog begann. Otgo stellte Fragen zur Galerie, zu den Künstlern, die hier ausstellten, zu möglichen Partnerschaften. Er wollte wissen, ob es für ihn möglich wäre, in dieser Galerie auszustellen. Zunehmend an diesem Besucher interessiert, der so anders war als alle anderen, hörte ich zu, während ich meine Arbeit fortsetzte. Ich erinnere mich, dass ich den Künstler sofort mochte. Sein Blick hatte etwas sehr Sanftes und Menschliches an sich. Er konnte zuhören, zeigte anderen gegenüber Interesse, antwortete und argumentierte, wenn dies angebracht war. Ich spürte, dass eine positive und strahlende Energie von ihm ausging. Er stellte sich kurz vor, ohne pompöse Firlefanz, und interessierte sich dann für Maria, ihren Beruf und ihr Studium, und das erschien mir fantastisch. Im Gegenzug erzählte ihm meine Kollegin von der Galerie, dem Besitzer und führte ihn ein wenig herum. Ich arbeitete weiter und beobachtete aus den Augenwinkeln, wie sie sich umherbewegten. Da der Besitzer der Galerie an diesem Tag nicht anwesend war, waren Verhandlungen nicht wirklich möglich. Daher ließ er nach den Erklärungen seine Karte liegen, bedankte sich und ging. Es wurde wieder still in der Galerie und die Routine nahm ihren Lauf.

   

Valette, Malta
Valletta, Malta

   
Ich war neugierig und beschloss, mir die Karte anzusehen, die er hinterlassen hatte. Diese war dünn und elegant. Auf der linken Seite war ein kleines Symbol eingraviert, das Symbol der Mongolei. Das alles erschien mir unglaublich und unwahrscheinlich zugleich. Unglaublich, weil Ogto ein anerkannter Künstler war und schon lange von seiner Kunst leben konnte, aber auch, weil er der Chefkurator des Nationalen Kunstmuseums der Mongolei war. Unwahrscheinlich, denn wenngleich eine Galerie ein günstiger Ort ist, um Künstlern zu begegnen, sind mongolische Künstler selten zu treffen.
Um ehrlich zu sein, wusste ich so gut wie nichts über die Kunst dieses Landes. Die einzigen Dinge, die mir in den Sinn kamen, waren wilde Pferde, Jurten, Krieger und riesige Steppen. Kurz gesagt, flüchtige und sehr begrenzte Abbilder. Da ich mich ein wenig für das wenige Wissen, das ich besaß, schämte, beschloss ich noch am selben Abend, über die Kunst und Geschichte des Landes zu recherchieren.
Dieser Hunger nach Wissen und Entdeckung ist eine der schönen Folgen, die sich aus einer unvorhergesehenen Begegnung ergeben. Er bringt uns dazu, unseren Horizont zu erweitern, aufgeschlossener zu sein und aus unserer kleinen Bequemlichkeit herauszukommen, um uns auf ein Abenteuer einzulassen. Und genau das habe ich getan. Nach ein paar Tagen beschloss ich, Otgo eine E-Mail zu schreiben, in der Hoffnung, dass er einem Treffen mit der bescheidenen Kulturmanagementstudentin, die ich war, zustimmen würde. Seine Antwort ließ zu meiner Überraschung nicht lange auf sich warten. Während ich auf diese wartete, hatte mein Geist bereits begonnen, sich einen tief komplexen, hochgebildeten und vielbeschäftigten Menschen vorzustellen, ein Bild, das sich schließlich als höchst unwahr herausstellen sollte, wie ich es herausfinden sollte.


    Nach einigen E-Mails vereinbarten wir, uns auf eine heiße Schokolade in einem Café zu treffen. Ein guter Ort dafür war das Café mit dem süßen Namen "Sonntag in Schottland"
(2). Deren heiße Schokolade finde ich köstlich, sowohl dickflüssig als auch cremig. Dies ist keineswegs ein Geschwafel in den Wind. Ich hatte den Beweis, denn ich hatte sie vormals schon gekostet. Am großen Tag kam ich als Erste an. Das Wetter war nicht gerade angenehm, also ging ich schnell hinein. Außerdem ist das Café berühmt und es ist nicht immer einfach, einen Platz zu finden. Oft braucht man eine gute Portion Glück.
Als ich eintrete, bemerke ich, dass nur ein Tisch frei ist. Zielstrebig dirigiere ich mich darauf los. Perfekt, ich habe den Tisch. Nun beginnt eine Wartezeit, die in der Regel als sehr lang empfunden wird. Diese Art des Wartens, bei der sich Stress und Aufregung vermischen. Die Leute kommen rein, gehen raus, bestellen Kuchen und duftende Getränke, und ich warte. Die Musik wiegt mich und ich schaue auf die Straße, wo die Regentropfen fallen und die Passanten sich beeilen müssen. Etwa zehn Minuten später öffnet der lang ersehnte ER die Tür des Cafés. Otgo ist da.
Er setzt sich an den Tisch und ich danke ihm, dass er gekommen ist. Nach einem kurzen Austausch beschließe ich, die heiße Schokolade zu bestellen, die ich so sehr angepriesen habe. Pech, dass es an diesem Tag .....keine mehr gab. Andere sind uns zuvorgekommen. Trotz aller Widrigkeiten beschlossen wir, einen Tee und einen Kaffee zu bestellen, denn letztendlich ist es egal, welches Getränk wir trinken, es ist nicht der Kernpunkt. Wir können aus Plastikgläsern trinken und vollkommen glücklich sein, genauso wie wir mit Kristallgläsern und Champagner ganz unglücklich sein können. Und wie meine Mutter mir einmal sagte: "Wenn zwei Menschen gut beisammen sind und es eine gute Verbindung zwischen ihnen gibt, dann kann über alles gelacht werden, sogar über Tee". Wie dem auch sei, an diesem Tag bestätigte sich mein erster Eindruck.
Wie schon bei seinem Besuch in der Galerie war Otgo höflich, aufmerksam, freundlich und respektvoll. Er beantwortete meine vielen Fragen, ohne mit der Wimper zu zucken, und genoss es, über seine Arbeit zu sprechen. Ich hörte ihm aufmerksam zu und hatte das Gefühl, dass meine Seele im Laufe des Dialogs allmählich reicher wurde. Er erzählte mir lange von seinem Heimatland, der Mongolei, von seinen Anfängen als Künstler, von seiner Reise durch sein Land, um die traditionelle Malerei zu erlernen und eingehend zu studieren, und von der Zeit, die er der Auswahl und Herstellung seiner eigenen Farben auf traditionelle Weise widmete. Er war bei allem, was er tat, mit dem Herzen dabei und das war auch in seinen Worten spürbar. Als das Gespräch weiterging, zog eine Sache meine Aufmerksamkeit immer mehr auf sich: Otgos Augen. Seine Augen schauen immer auf das, was um ihn herum passiert. Er ist immer wachsam, als wolle er einen Blick auf seine nächste Inspirationsquelle erhaschen, als wolle er sein nächstes Modell oder neue Ideen für seine Gemälde finden. An bestimmten Momenten hatte ich das Gefühl, dass etwas passieren würde und dass ein Störfaktor unsere Diskussion beenden würde. Auch ich wurde in Alarmbereitschaft versetzt und wartete darauf, dass dieses "Etwas", das ich nicht kannte, eintrat.
Sehr oft wollte ich wissen, was seine Aufmerksamkeit erregt hatte, was er dachte, an wen oder was. Aber ich bekam nie eine Antwort, weil ich mich nicht traute zu fragen. Ich begnügte mich einfach damit, ihn schweigend zu beobachten und das Geheimnis ganz zu bewahren. Und es liegt auch etwas Schönes im Rätsel, im Nichtwissen, im Bewahren des Geheimnisses. Ich glaube aufrichtig, dass wir Situationen brauchen, die wir nicht erklären können, wir brauchen Geheimnisse.
Das ganze Leben kann ein Mysterium sein, und Paulo Coelho veranschaulicht dies gut in seinem Buch Brida: "Wir sind verlorene Reisende auf einem Meer, das wir nicht kennen. Möge Gott in uns immer den Mut bewahren, dieses Geheimnis zu akzeptieren". Ich sehe Künstler und Autoren als Menschen, die einer eigenen Welt angehören, einer Welt, die unantastbar ist und sich vom Rest unterscheidet. Vielleicht, weil ihre Seele einen stärkeren Geschmack für Freiheit hat? Für mich befinden sie sich zwischen zwei Welten. Sie sind noch nicht Teil des Himmels, aber sie sind schon nicht mehr auf der Erde. Das ist weder gut noch schlecht, es ist einfach anders.

Ich glaube, wir haben uns mehr als anderthalb Stunden in diesem Café aufgehalten. Die Zeit vergeht immer extrem schnell, wenn der Moment angenehm ist, und umgekehrt so langsam, wenn wir nicht glücklich sind. Ich bin nicht die Einzige, die sich gefragt hat, warum das so ist. Es scheint auf den ersten Blick ungerecht, aber vielleicht können wir so verstehen, ob uns ein Moment glücklich gemacht hat oder nicht. Unsere Verabredung verging wie im Flug. Otgo sorgte immer dafür, dass meine Teetasse gefüllt war. Ohne zu warten und ohne, dass ich es wirklich merkte, füllte er sie schnell, wie ein Zauberer. Als wir das Café verließen, war es bereits dunkel. Die Weihnachtsdekorationen, die am selben Morgen aufgehängt worden waren, erleuchteten die Stadt in tausend Farben und eine maltesische Krippe war im Herzen der Stadt aufgestellt worden. Eine festliche Atmosphäre erwärmte die Herzen der Passanten und Besucher. Zu dieser Zeit durch Valletta zu schlendern, ist wie im Märchenland. Die Malteser lieben und wissen es, ihre kostbare Hauptstadt zu beleuchten, und genau das wollte ich Otgo an diesem Abend zeigen, bevor ich nach Hause ging.



Valette, Malta
Valletta, Malta

(1) - Valletta Contemporary, Valletta, Malta
(2) - Sunday in Scotland,
Valletta, Malta


Otgos künstlerisches Erbe ist umfangreich und vielfältig. Dennoch kann man in jedem seiner Werke eine Verbindung zur Mongolei finden, wie eine Anspielung auf das Heimatland des Künstlers. In seiner Anfangszeit konzentrierte er sich stark auf die traditionelle mongolische Kunst und insbesondere auf die Thangkas, Miniaturmalereien von Buddha. Diese Werke sind außergewöhnlich und sehr spirituell. Sie sind viel mehr als nur die Darstellung einer Gottheit. Wenn man einen Thangka ansieht, ruft man die dargestellte Gottheit herbei. So entsteht eine unsichtbare Verbindung zwischen ihr und dem Betrachter, welche die Seele zur Ruhe kommen lässt. Otgo erzählte mir ausführlich von seinen Thangka- Malereien, von der Zeit und der Geduld, die er brauchte, um jedes kleine Werk zu vollenden, aber auch von der langen Reise, die er unternommen hatte, um den traditionellen Stil zu erlernen. Jede Gestaltung beginnt mit einem Umriss, der nach sehr kodifizierten und genauen Regeln erfolgt, und endet mit dem Malen. Auch die Vorbereitung der Farben ist langwierig und heikel und erfordert Bestandteile mineralischen oder pflanzlichen Ursprungs.
Jedes Gemälde ist gleichzeitig eine Fleißarbeit und eine Meditation. Der Maler setzt sich hin, beruhigt seinen Geist und seine Seele und beginnt sein Werk, langsam, Schritt für Schritt. Nichts darf ihn stören. Nur die Stille ist sein Begleiter. Otgo erklärte mir, dass er stundenlang malen kann, ohne seine Grundbedürfnisse zu befriedigen. Mit dem Beginn eines Gemäldes wird eine besondere Atmosphäre geschaffen, die nicht gestört werden darf, da sonst die tiefe Verbindung zwischen dem Künstler und seinem Werk verloren geht. Es gibt keine zweite Chance, dieses muss in einem Zug erfolgen.

Der Rest von Otgos Arbeit ist, obwohl anders, sehr tiefgründig. Eines der Dinge, die ich an seinen Bildern am meisten mag, sind die leuchtenden Farben, die er verwendet. Seine Bilder sind sehr intensiv und strahlend. Für mich erscheinen sie wie eine wahre Initiationsreise, eine erwachende Meditation. Wenn Sie mir nicht glauben, betrachten Sie seine Werke und Sie werden sehen, Sie werden verstehen. Die Serie der
Roaring Hoofs ist ein gutes Beispiel dafür. Man muss sie bewundern, sich von der Außenwelt abkapseln und in das Innere der Bilder eintauchen. Nach einer Weile hört man die Hufe der Pferde und ihr Atmen.
Man sieht den Staub aufsteigen und wird von der Bewegung und dem endlosen Rennen der Pferde in den riesigen und freien Ebenen der Mongolei mitgerissen. Dieses Rennen hat keinen Anfang und kein Ende. Wie der Wirbel des Lebens bewegt es sich vorwärts. Jedes Ding hat seinen Platz. Auf der Leinwand wird keine Lücke gelassen. Der gesamte Raum ist ausgefüllt. Otgos monumentalstes Werk,
My homeland, My steed, befindet sich im Best Western Premier Tuushin Hotel in Ulaanbaatar. Auch hier lassen die Pferde nicht auf sich warten. Sie scheinen fast einer Höhlenmalerei entsprungen zu sein. Die ganze Leinwand ist gefüllt und man folgt dem Strom, indem man sich von der unaufhörlichen Bewegung wiegen lässt. Wenn man sie aus der Ferne betrachtet, tauchen neue Figuren und Landschaften auf. Das Werk wird so zu einem riesigen Spielplatz für die Fantasie. Zurag-66 Tengis bleibt mein Lieblingsbild aus dieser unglaublichen Serie. Während ich es betrachte, sehe ich, wie es zum Leben erwacht. Die Pferde verwandeln sich in Wellen und bewegen sich ungebunden.

Die zweite interessante Sache sind die Details. Die Arbeit, die Otgo leistet, ist minutiös, es ist eine Titanaufgabe. Je näher man an das Werk herankommt, desto lebendiger wird es. Wie aus dem Hut gezaubert tauchen dann Details auf, die die Augen zwingen, immer wachsam zu sein, auf der Lauer zu sein. Dies ist besonders in
Blue Horses, Hun, Human, Zurag 63  oder noch in Paradise in miniature zu erkennen. In letzterem ist die Szenerie besonders üppig, fast psychedelisch und vermittelt den Eindruck, sich in einem Garten Eden zu befinden, den sich der Schöpfer ausgedacht hat. Wenn man sich nähert, tauchen kleine Figuren auf: Manchmal sind ihre Posen erotisch, manchmal ist es, als würden sie tanzen. Die Verzauberung ist sofort spürbar. Dieses Gemälde weckt den Wunsch, in das Innere des Kunstwerks einzutauchen, um die Geheimnisse dieses Ortes zu entschlüsseln und dort für einige Augenblicke zu verweilen.

Neben den Menschen bevölkern auch andere Wesen Otgos Werke: Tiger, Affen, Pferde, verschiedene Vögel... Ich denke, es ist die tiefe Verbindung zwischen allen Lebewesen, die dadurch hervorgehoben wird. Triptych:
AMITAN-1 lässt jeden beliebigen Betrachter in ein echtes Wasserballett eintauchen, in dem Fische, Vögel, Menschen und Tiere in völliger Harmonie zusammenleben. Die Wesen tanzen, schwimmen und ihre Seelen wirken leicht. Dieser Zusammenhalt und diese Harmonie aller Dinge sind auch in Shine amidral -2 zu finden. In Fly & Fly, einem weiteren Gemälde von beeindruckenden Maßen, fliegen Menschen neben vielen Vögeln. Die Krümmung ihrer Körper lässt vermuten, dass sie selbst zu Vögeln geworden sind. Sie sind glücklich und frei wie der Wind. Sie scheinen so leicht wie Federn zu sein, so leicht wie Seelen. Kein Käfig, weder materiell noch psychologisch, hält sie fest. Dieses Bild strahlt einen großen Frieden aus, der einen nicht gleichgültig lässt.
Wir könnten uns darin verlieren und von derselben Freiheit träumen, die der Zeit entrissen wurde. Meiner bescheidenen Meinung nach spricht Otgos Arbeit die Sinne und Emotionen an, vorausgesetzt man nimmt sich die Zeit, das Werk wirklich zu betrachten und darin einzutauchen. Auf diesem kontemplativen Weg haben seine Werke die Fähigkeit, die Zeit anzuhalten, indem sie uns sanft und poetisch in eine andere Welt entführen. Die Welt des Künstlers.
In
Gigantopithecus, einem seiner neuesten Werke, vermischen sich die Lebewesen mit einer üppigen Natur. Wenn man in das Bild eintaucht, kann man die Geräusche des Dschungels, den wehenden Wind, die singenden Vögel und die verschiedenen Tiere, die zusammenleben, hören. Otgos eigene Gesänge, traditionelle mongolische Lieder, tauchen aus der Erinnerung wieder auf. Alles nimmt nun einen mystischen Charakter an und die Reise zu dem tiefsten Selbst beginnt. Wir werden dahin geführt, wo die Zeit keinen Einfluss mehr hat.
 
Wie viele andere Künstler malt Otgo auch die brennende Aktualität, die Freuden und Leiden der heutigen Welt. Auf seine Weise schildert er die Realität des Lebens auf der Erde. Der Künstler, der Maler und der Dichter sind stille Zeugen der Wirklichkeit. Wenn wir in die Vergangenheit blicken, stellen wir fest, dass unser Leben von der Krankheit geprägt war, die den gesamten Planeten heimgesucht hat. Wie ein Sandsturm drang sie blitzschnell in ganze Länder ein. Daraufhin brach das Chaos aus. Um diese Realität auf seine Weise darzustellen, schuf Otgo
The Secret Matrix of Coronavirus und später Triptych: The Last Supper. Durch diese Werke stellt er auf großartige Weise die komplette Lebensumwälzung mit dem Virus dar. Ein Riesenkrake verschlingt die Menschen und lässt sie leblos zurück. Es handelt sich fast um einen Aufenthalt in der Hölle. Wenn man sich ein wenig mehr konzentriert, kann man eine kleine, beängstigende oder teuflische Musik hören, mit Schreien, Weinen und Lachen. Die einen schlemmen, die anderen sterben.
Galleys of Souls hingegen behandelt das Thema der Sklaverei. Die Menschen werden wie Körper gestapelt, denen man die Seele aus dem Leib gerissen hat. Die Hölle ist genauso präsent, aber die Gefühle sind anders: Das Tempo ist langsam, das Klima ist kalt und die Agonie der Sklaven ist greifbar.
 
Meiner Meinung nach laden Otgos Werke jeden Betrachter dazu ein, in sich selbst zu reisen, in die Tiefen der Seele, wo alles möglich ist, wo sich alles vermischt, um das Ganze zu erschaffen. Sie laden zur stillen Kontemplation, zum Träumen und zur Poesie ein. Sie öffnen eine neue Tür und regen dazu an, nach innen zu gehen und sich auf ein Abenteuer einzulassen.
Das Leben ist letztendlich sehr schön. Es allein macht Begegnungen wie diese möglich, in einem Moment, in dem man sie nicht erwartet. Ich danke Otgo unendlich für seine Zeit, seine Freundlichkeit und sein einfühlsames Zuhören. Ich hoffe, dass er eines Tages sehen wird, welch großen Respekt ich vor ihm habe.

À mon sens, les œuvres d’Otgo invitent toute personne qui les contemple à voyager en elle-même, au fin fond de son âme, où tout est possible, où tout se mêle pour créer le Tout. Elles invitent à la contemplation silencieuse, à la rêverie et à la poésie. Elles ouvrent une porte nouvelle et incitent à entrer à l’intérieur et à partir à l’aventure. La vie est finalement très belle. Elle seule rend possible les rencontres comme celle-ci, au moment où l’on ne s’y attend pas. Je remercie infiniment Otgo pour son temps, sa gentillesse et son écoute empathique. J’espère qu’un jour, il verra, le grand respect que j’ai pour lui.



Maryna Magnin. Am 8. März 2022

Paradise -7 by OTGO 2002, Tempera on cotton 30 x 21 cm
Paradise -7 by OtGO 2002, Tempera on cotton 30 x 21 cm




Poème

J’entends les bruits saccadés
J’entends l’appel de la steppe

La liberté m’enveloppe et me réveille
En m’affranchissant de ma peine


Le vent n’est plus mon ennemi
Je sens son souffle dans mes oreilles
Venant de loin, il me ramène
Des chants profonds et éternels


Des chevaux courent dans les vastes plaines
Leur course n’a ni début ni fin

Sans harnais ni épaisses chaînes
Ils voyagent jusqu’aux confins du temps

Ô ma douce liberté
Descends de ton royaume étoilé
Et permets moi de faire durer
Ce bonheur retrouvé

À propos de Roaring Hoofs - 31













Valletta, Malta
Valletta, Malta





















Valette, Malta
Valletta, Malta























Valette, Malta
Maryna Magnin, Valletta, Malta




















Valette, Malta
Valletta, Malta




















Valette, Malta
Valletta, Malta




















Valette, Malta
Valletta, Malta



















Valette, Malta
La Valette Malte




















Valletta, Malta
Valletta, Malta























Valette, Malta
Maryna Magnin, Valletta, Malta


















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