Dr. Mathias Richter
FARBENTEPPICHE AUS MENSCHEN
Das Museum Baruther Glashütte zeigt Arbeiten des mongolischen Künstlers Otgonbayar Ershuu
Quelle: Märkische Allgemeine - Zeitung am Montag, den 21.Juli 2014
Baruth
– Allein die Fläche ist überwältigend. Sechseinhalb Meter lang und mehr
als zwei Meter hoch ist das farbenprächtige Gemälde. Bei jedem Schritt
des Betrachters fängt es an zu flimmern. Die vielen kleinen
pixelartigen Punkte beginnen sich zu bewegen. Ganze Flächen und
Konturen schieben sich nach vorne, andere treten in den Hintergrund.
Erst aus der Nähe wird klar, was hier in Wirklichkeit zu sehen ist:
Menschen, Menschen, Menschen, dazwischen hin und wieder Tiere in einem
wilden Durcheinander – filigran gemalt in Acryl auf einer
Baumwollleinwand.
„Hun“ heißt das Bild und gibt zugleich den Titel
für die kleine Ausstellung des mongolischen Miniaturmalers Otgonbayar
Ershuu, der sich den kurzgriffigen Künstlernamen OtGO gegeben hat. Am
Wochenende wurde sie im Museum Baruther Glashütte (Teltow-Fläming)
eröffnet. Hun bedeutet auf Deutsch „Mensch“ und der steht im Zentrum
von OtGOs Arbeiten. Feingliedrig gemalt, so zart, dass für die Details
schon fast eine Lupe benötigt wird, wandern sie über das riesige Bild.
Der Mensch ein Zwerg im Kosmos, der aber massenhaft auftritt und daher
auf dem Planeten Erde kaum noch Platz für andere Wesen lässt. Die
wenigen Tiere, die auf dem riesigen Rollbild zwischen tausenden
Menschen hervorlugen, sind in den Hintergrund gedrängt. Aber auch der
abgebildete homo sapiens wird nackt und damit in seiner ganzen
Verletzlichkeit gezeigt. Ein Gewimmel von Körpern, die sich lieben,
streiten, hassen, bekämpfen, anerkennen.
OtGOs Arbeiten lassen sich
durchaus als Zivilisationskritik aus der Perspektive einer teilweise
noch vorindustriellen Welt verstehen. Sieben recht unterschiedliche
Werke des seit 2005 in Berlin lebenden Künstlers zeigt die Baruther
Schau. Neben dem Riesenwerk ein gerade erst entstandener vierteiliger
Zyklus von Acrylbildern. Menschen und Tiere tauchen in neonfarbenen
Konturen auf dunklem Grund hinter großflächigen Schraffuren auf. Die
Oberflächenstruktur erinnert trotz ihrer grellmodernen Kolorierung an
traditionelle Teppichmuster.
Überhaupt: Die Tradition ist der Pool,
aus dem der 1981 in der mongolischen Hauptstadt Ulan-Bator geborene
Künstler schöpft. Angefangen hat er mit der klassischen Miniaturmalerei
seiner Heimat, den sogenannten Thangkas, winzigen Bildern von Göttern
der lamaistisch-buddhistischen Religion. Die etwa in der Größe eines
Dias auf Baumwolle gefertigten Abbildungen werden ohne optische
Hilfsmittel gezeichnet und koloriert. Im letzten Arbeitsschritt
entsteht das Gesicht, womit der Gottheit rituell die Augen geöffnet
werden.
OtGO hat diese Maltechnik aus ihrem religiösen Hintergrund
gelöst und schafft damit beeindruckende Werke zeitgenössischer Kunst.
In Baruth sind drei seiner Miniaturbilder aus den späten 90er-Jahren zu
sehen. Sie sind an den Außenwänden eines kleinen Kabinetts angebracht.
Drinnen liegt hinter Glas eine ganz besondere Arbeit des Künstlers. Ein
nur 30 auf 20 Zentimeter großes Kamasutra-Gemälde, Tempera auf
Baumwolle. Die erotischen Handlungen von 1200 Menschen sind abgebildet.
Mit bloßem Auge kaum zu erkennen. Doch der Künstler hat für die
getrübten Augen der Europäer eine Lupe dazugelegt. Hun = Menschen. Gemälde von Otgonbayar Ershuu. Bis 31. August. Museumsdorf Baruther Glashütte, Hüttenweg 20, Baruth/Mark.
Das Museum Baruther Glashütte 2014
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