Triptych The World Beyond
-- The
original text in French -- -- The text in English --
Übersetzt aus dem
Französischen: Caroline Girod
Die deutsche Übersetzung-Veröffentlichung am 06. September 2022 Brüssel
Einst
fragte jemand einen Bergführer am Mount Everest, ob ein alter
Bergsteiger eine Chance habe, den Gipfel zu erreichen. Dieser
antwortete wie folgt: Vielleicht. Aber am Ende entscheidet der Berg1.
Dieses
Zitat verdeutlicht perfekt die entscheidende Rolle, welche die Natur in
unserem Leben spielt. Sie dient uns sowohl als spiritueller Lehrer als
auch als Nährmutter. Niemals nachtragend, hält sie die Menschheit
trotz der ständigen Angriffe der Menschen am Leben. Der Mensch ist von
ihrer Großzügigkeit abhängig und wie die zwei Seiten einer Münze an
sie gebunden. Doch anstatt mit ihr in Symbiose zu handeln, plündert
und zerstört er sie und vergisst dabei, dass der Tod der Natur zu
seiner eigenen Auslöschung führen wird. Jeden Tag führen wir wie
Kamikaze einen Selbstmordkrieg gegen unsere eigene Seite, gegen unsere
eigene Verbündete. Und genau mit diesem überaus aktuellen Thema
befasst sich der Künstler OtGO in seinem Werk Triptych The World
Beyond (2021-2022).
Wie
üblich hat OtGO drei Gemälde von großem Reichtum geschaffen. Die
Werke sind sehr detailliert und laden den Betrachter dazu ein, so nah
wie möglich an sie heranzukommen, selbst wenn er sie mit der
Nasenspitze berühren sollte. Die Details der Gesichter, Ausdrücke und
Bewegungen werden erkennbar und die Gemälde enthüllen dann all die
Reichtümer, die sie enthalten. Sobald wir unsere Augen in die Gemälde
des Künstlers eintauchen, beginnt die Geschichte. Wilde Tiere und
Fische erobern die Leinwände: verschiedene Affenarten, Tiger, Zebras,
Ameisenbären, Rochen. Auf den Leinwänden wimmelt es von Leben. Doch
jenseits der exotischen und farbenfrohen Tiere tauchen Masken auf; sie
sind überall und nur Glupschaugen zeichnen sich an den
Maskenoberflächen ab. Das Fehlen von Mund, Nase und vor allem von
Emotionen verleiht ihnen eine eisige Aura. Was die Menschen betrifft,
die eine Art leblose schwarze Silhouette sind, so wandern sie wie
verdammt in der Stille umher. Andere wurden in verschiedenfarbige oder
durchsichtige Silhouetten verwandelt. Während erstere wie zergliederte
Puppen daliegen, scheinen letztere nach und nach aus der Welt zu
verschwinden und kaum noch bemerkbar zu sein. Genau wie die Masken
haben auch diese Silhouetten keine Gesichter mehr. Bei den ersten wie
bei den zweiten führt das Verschwinden eines Körpers oder das
Zerbrechen einer Seele zu Stille und Tod.
Daneben
ist die Spannung zwischen den Wesen spürbar und ihre Nähe scheint
erzwungen. Die Tiere müssen sich aus Platzmangel den Menschen
annähern und auf winzigem Raum dicht an dicht stehen. Die Tierarten
vermischen sich und die Beutetiere stehen neben den Raubtieren. Alles
ist überfüllt, es gibt keinen freien Raum. Sehr schnell überkommt
uns ein Gefühl des Erstickens und wir empfinden Mitleid mit diesen
kleinen Kreaturen und ihrem Leben, das ihnen von nun an nicht mehr
gehört. Kein Baum, keine Blume bringt Fröhlichkeit in diese Gemälde.
Einer nach dem anderen klettern kleine Äffchen und Neugeborene auf
Panzer, die ebenso wie die Flugzeuge die Streifen von Zebras
übernommen haben, um sich zwischen den Tieren zu tarnen. Die Tarnung
ist erfolgreich, denn sie sind nur bei gründlicher Prüfung der
Leinwände zu erkennen. Diese Stahlkolosse schießen blind in eine Menge
aus Menschen und Tieren. Sie zielen nicht auf eine bestimmte Person,
sondern schießen einfach nur. Im Übrigen scheinen alle Tierarten in
einem durch die Schüsse gebildeten Raster gefangen zu sein. Vielleicht
ist dies die Darstellung eines blinden und mörderischen Gemetzels, bei
dem Logik und Vernunft abhandengekommen sind. Mancherorts werden
Neugeborene in die Panzer gesaugt. Sie sind gerade erst geboren, aber
schon tot, verschlungen von der blendenden Maschinerie der Macht.
Je
länger der Betrachter die Gemälde anschaut, desto mehr Spannung
verspürt er. Wortlos klammern sich Otgos Gemälde an den Geist des
Betrachters und enthüllen ihm eine herzzerreißende Wahrheit, die wie
ein Warnruf inmitten der dunklen Nacht ertönt. Sie wecken den, der
hinguckt. Mehrere Tiere, darunter auch Tiger, zögern nicht, ihren
Blick in den unseren zu versenken. Sie fragen nach den Gründen für
diesen Wahnsinn, sie suchen nach Erklärungen. Dann scheinen sie um
Hilfe zu bitten. Ihr Blick wird flehend. So werden wir, wir Zuschauer,
zu denen, die sehen, aber nichts tun. Wir sind stumme Zeugen, die die
Not dessen, was vor uns geschieht, spüren. Die Affenmütter versuchen,
ihre Sprösslinge zu retten, aber es ist klar, dass niemand verschont
wird. Schließlich müssen wir wegschauen, weil der klagende Blick der
Wesen zu schwer zu ertragen geworden ist.
Dennoch
sind nicht alle Tiere betrübt. Manche zeigen sogar lachende Züge.
Wenn man genau hinschaut, zeigen einige Affen ein hinterhältiges und
boshaftes Lächeln. Sie scheinen sich über die Situation zu freuen.
Zudem sind sie Teil des Hintergrunds, genauso dunkel wie sie, und
verschmelzen mit dem Inneren der Leinwände. Die Situation amüsiert
sie und ihr Herz ist nicht oder nicht mehr für Schmerz empfänglich.
Vielleicht gehören sie der Hölle an? Nur sind sie nicht die Einzigen,
die lächeln. Einige Silhouetten haben sich Zebra- oder Affenköpfe
aufgesetzt und nehmen provokante Posen ein. Auch diese spotten und
lassen sich von den verheerenden Panzerschüssen nicht stören. Ist
dies eine Art, die Absurdität des Geschehens zu zeigen?
Wahrscheinlich...
Otgos Art, Crescendo-Emotionen zu wecken, ist bemerkenswert. Aus der
Ferne wirken die Gemälde farbenfroh und fast fröhlich, doch aus der
Nähe offenbart sich eine andere Realität: Freude und Neugier weichen
allmählich Traurigkeit und Wut. Details kommen zum Vorschein und
verändern unsere Wahrnehmung und unsere Gefühle. Wir versetzen uns
dann in die Lage dieser Wesen, die nichts anderes wollen, als frei zu
leben. Sie sind der Spiegel unserer eigenen Existenz und unserer Welt,
die nach und nach erlischt. Sobald wir uns von diesen Leinwänden
trennen, spüren wir eine Veränderung in uns selbst. Etwas in uns ist
erwacht. Dennoch ist vielleicht nicht alles verloren. Obwohl einige
Figuren dunkel sind, strahlen ihre Gesichter Lichtsignale aus. Ist das
nicht ein Beweis dafür, so schwach er auch sein mag, dass eine
Wiedergeburt möglich ist? Sie erscheinen wie Lichtstrahlen in der
kalten, dunklen Landschaft.
Sie rufen zum Aufwachen, zum Wandel und zu einem menschlicheren Leben
mit uns selbst und den anderen Wesen, die diesen Planeten bevölkern.
Eine Hoffnung muss gefunden werden, denn diese ist eine der Säulen der
Welt2.
Maryna
Magnin. Mai 2022
1. John-Kabat Zinn, Où tu vas tu es, Éd. J’ai lu 1995 2. Proverbe d’Afrique du Sud