Weit
im Osten der Mongolei lebte einmal ein junger Pferdehirt. Er hieß
Namdshil. Und er hatte eine so wunderschöne Stimme, daß die Menschen
von weither kamen, um ihn singen zu hören. Die geritten kamen, stiegen
vom Pferde, die zu Fuß kamen, setzten sich auf die Erde und lauschten
und staunten und waren wie verzaubert. "Seine Stimme klingt so lieblich
wie die eines Kuckucks", sagten sie und nannten ihn Khökhöö-Namdshil,
Namdshil den Kuckuck.
Eines Tages wurde Namdshil zum Militärdienst
für den Khaan einberufen. Man schickte ihn an die westliche Grenze der
Mongolei, weit entfernt von seiner Heimat, und dort blieb er viele
Jahre.
Während dieser Zeit verliebte sich Namdshil in die
Tochter des dortigen Fürsten, und diese erwiderte seine Liebe von
ganzem Herzen.
Doch einmal hat auch der längste Militärdienst
ein Ende, und für Namdshil nahte der Tag des Abschieds. So sehr er sich
freute, seine Eltern und seine heimatliche Steppe wiederzusehen, brach
ihm doch der Gedanke, seine Liebste vielleicht nie wieder zu sehen,
fast das Herz. Die Prinzessin aber schenkte ihm ein Pferd mit Flügeln,
die es verstecken konnte, so daß niemand sie sah. Und sie sagte zu
Namdshil: "Mit diesem Pferd wird dir kein Weg zu weit sein. Komm auf
ihm zu mir geflogen, damit wir uns treffen können.
So kehrte
Namdshil heim. Er hütete wieder seine Pferdeherde und sorgte für seine
Eltern. Nun hatte aber eine Dienerin des Fürsten, dessen Untergebener
Namdshil war, beobachtet, daß dieser nachts niemals in seiner Jurte
blieb, sondern irgendwohin verschwand. Sie ließ ihn nicht mehr aus den
Augen und merkte bald, daß es mit dem Pferd etwas besonderes auf sich
haben müsse.
Eines Nachts war Namdshil wieder einmal zu seiner
Geliebten geflogen. Bevor der Morgen graute, kam er zurück, band sein
Pferd, damit es ein wenig verschnaufen konnte, vor der Jurte an und
ging hinein. Doch er hatte vergessen, die Zauberflügel zu verstecken.
Wie nun die Dienerin des Fürsten kam, um Namdshils Pferd näher zu
betrachten, entdeckte sie, daß ihm hinter den Vorderläufen zwei Flügel
hervorschauten, nahm ihre Schere, schnitt die Flügel ab und warf sie
fort. Als sie dem Pferd die Flügel abgeschnitten hatte, starb es.
Aus Namdshil wieder aus der Jurte kam, war sein Pferd tot. Tiefe Trauer
erfüllte ihn.
Doch
das Sprichwort sagt: Im Herzen eines Mannes springt ein Pferd mit
Sattel und Zaum umher. Und so bezwang Namdshil seine Trauer. Er schnitt
seinem toten Pferd die schönen langen Mähnen- und Schweifhaare ab und
band sie zusammen. Wo die Haut am weichsten war, löste er ein Stück ab
und gerbte es sorgfältig. Alsdann zimmerte er aus Holz ein Kästchen,
bezog es mit der gegerbten Haut und fand heraus, wie er dem Kästchen,
um es zum Summen zu bringen, eine Seele geben konnte. Im Bergwald
fällte er einen jungen Baum, feilte und schmirgelten das Stämmchen, bis
es glatt und schön war und schnitzte in sein Ende den Kopf seines
wunderbaren, klugen Pferdes, so daß er es niemals vergessen würde.
Unterhalb des geschnitzten Kopfes, dort, wo er in den Hals überging,
brachte er zwei hölzerne Wirbel an, um die er das Pferdehaar schlang,
das er zuvor in zwei Bündel geteilt hatte. Er legte sie über das
hölzerne Kästchen und befestigte sie unten an seinem Boden. (Nun hatte
er zwei Saiten.) Mit einem dritten Bündel Pferdehaar verband er die
beiden Enden eines schlanken Weidenzweiges und hatte nun einen
Geigenbogen. Den rieb er mit Kiefernharz ein, so daß schöne, reine Töne
entstanden, wenn er damit über sein Instrument strich.
So hatte
Namdshil ein Saiteninstrument geschaffen, die Pferdegeige, auf der er
zur Erinnerung an sein geliebtes Pferd wunderschöne schwermütige Weisen
spielte. Er lehrte sein Instrument, mit der Stimme des geliebten
Pferdes zu wiehern und zu schnauben, oder den Schlag seiner Hufe
nachzuahmen, so daß es klang, als käme es wie einst zu ihm getrabt.
Immer, wenn er auf seiner Pferdegeige spielte und ihr ihre warmen,
langen Töne entlockte, erinnerte sich Namdshil an sein geliebtes Pferd,
und mit der Erinnerung kam auf wunderbare Weise wieder Freude in sein
Herz.
Übersetzt
und nacherzählt von Renate Bauwe, September 2000. Nach: Mongol ardyn
ülger domog II(5), Ulsyn chewlelijn gadsar, Ulaanbaatar 1982, 139-140.
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