Zeichnungen aus dem Comic
" Die Geheime Geschichte der Mongolen"
Otgonbayar,
Ershuugiin
E. Otgonbayar: Die „Geheime
Geschichte der Mongolen“ als Comic
- Exposé -
Literarische Vorlage:
Die „Geheime Geschichte der Mongolen“,
vermutlich 1240 von einem anonymen Autor verfasst, ist das älteste und
zugleich bedeutendste Literaturdenkmal der Mongolen. Sie berichtet über
die Herkunft, das Leben und den politischen Aufstieg Temüdshins, des
späteren Tschingis Chaan (Dschingis Khan), sowie über einige Ereignisse
während der Herrschaftszeit seines Sohnes und Nachfolgers Ögedej. Dabei
beschränkt sich die Darstellung im wesentlichen auf die Vorgänge in der
Mongolei selbst. Der Ideengehalt des Werkes und damit auch dessen
ethische und ästhetische Wertmaßstäbe beruhen auf der Überzeugung des
Autors von der historischen Notwendigkeit, die miteinander in ständiger
Fehde lebenden, zersplitterten mongolischen Nomadenstämme unter einem
starken Herrscher zusammenzuschließen. Von hohem künstlerischem
Anspruch ist die klare, stark verdichtete Sprache, die zwischen
Alliteration und schlichter Prosasprache, zwischen sachlicher
Beschreibung und lyrischer Betrachtung wechselt. Zahlreiche Mythen,
Volkslieder, Gedichte, Sprichwörter und bildhafte Vergleiche dienen der
Charakterisierung der Personen und ihrer Beziehungen zueinander sowie
der Milieugestaltung und verleihen dem Werk unvergängliche
Lebensfrische.
Probleme der Rezeption:
Gemeinhin gilt die „Geheime Geschichte“ als Chronik; in mancher
Hinsicht steht sie jedoch dem Heldenepos nahe. Sie diente vor allem in
jüngerer Zeit vielfach als Vorlage für historische Romane, z.B. für die
auch in deutscher Sprache erschienene Trilogie „Dschingis-Khan“,
„Batu-Khan“ und „Zum letzten Meer“ von W. Jan oder den 2005 in der
Mongolei erschienenen Roman „Die geheime Geschichte des Tschingis
Chaan“ (mong.) von L. Udwal (L. Udval) und S. Dshargalsaichan (S. Jargalsaikhan).
Der
Urtext der „Geheimen Geschichte“ ist in mongolischer Sprache
überliefert, allerdings nicht in mongolischer Schrift, sondern nur in
chinesischer Transkription, versehen mit einem Glossar in chinesischer
Sprache. So schlummerte er unbeachtet - und erfreulicherweise
unbeschadet - rund sechs Jahrhunderte in einem chinesischen Archiv.
Erst im 20. Jahrhundert konnte das Werk, nach einer mühsamen
Rekonstruktion des mongolischen Textes durch asiatische und europäische
Wissenschaftler, übersetzt und den Lesern in aller Welt zugänglich
gemacht werden. In diesem Zusammenhang soll nur auf das Verdienst des
deutschen Sinologen Erich Haenisch hingewiesen werden, der 1941/48 zum
ersten Mal eine komplette Übersetzung vornahm.
In der Mongolei
übertrug Z. Damdinsüren (Ts. Damdinsuren), einer der letzten großen „All-round-Gelehrten“
des Landes, den Urtext in die moderne mongolische Sprache. Es ist vor
allem sein Verdienst, wenn die „Geheime Geschichte“ sich in der
Mongolei heute, beinahe 800 Jahre nach ihrer Niederschrift, noch immer
außergewöhnlicher Popularität erfreut und selbst wenig gebildeten
Menschen wohlbekannt ist.
Die auf Haenisch zurückgehende
deutsche Übersetzung wurde inzwischen mehrmals überarbeitet und neu
herausgegeben. Wenn das Werk dennoch im deutschsprachigen Raum
weitgehend unbekannt geblieben ist, so liegt das wohl vor allem daran,
dass die Herausgeber – ausnahmslos Wissenschaftler – sich aus Ehrfurcht
vor dem altertümlichen Text nicht an eine freiere Übersetzung wagten,
die den Ansprüchen eines breiteren Leserkreises entgegengekommen wäre.
Bearbeitung als Comic:
Mit dem 800. Jahrestag der Gründung des mongolischen Staates, der auch
hierzulande starke Beachtung fand, ist die Persönlichkeit Tschingis
Chaans (Dshingis Khans) erneut ins Blickfeld auch der Kunst- und
Kulturschaffenden gerückt, deutlicher vielleicht als je zuvor. Was läge
da näher als der Gedanke an die Herausgabe der berühmten Chronik in
einer völlig neuen Form, mit der historisch interessierte Leser nahezu aller Altersstufen erreicht
werden könnten?
Die
altehrwürdige „Geheime Geschichte“ als Comic mit hohem künstlerischen
und literarischen Anspruch – dieser Gedanke beschäftigt den jungen
mongolischen Künstler Otgonbayar
(geb. 1981) seit seiner Ausbildung in traditioneller mongolischer Malerei
(mongol zurag). Viele Hundert inzwischen vorliegende, im Stil des
mongol zurag gezeichnete Bilder, die den vorsichtig gekürzten,
ansonsten aber unverändert beibehaltenen Originaltext (nach Z.
Damdinsüren) begleiten, sprechen nicht nur für das ungewöhnliche Talent
des jungen Künstlers und die Ernsthaftigkeit, mit der er an die
Verwirklichung seiner Idee geht – sie bezeugen auch die Tragfähigkeit
dieser Idee. Inhalt und Form bilden gewissermaßen eine Einheit. Sie
sind so aufeinander abgestimmt, dass dem Anspruch auf Historizität
Rechnung getragen und eine Verflachung der literarischen Quelle
vermieden wird. Eine besondere Vorliebe zeigt Otgonbayar für
ethnographische Details (Kleidung, Waffen, Gebrauchsgegenstände,
Ornamentik), die das Milieu der kriegerischen Nomaden des 13.
Jahrhunderts veranschaulichen.
Konzeption:
Laut Konzeption soll der Titel in 2 Bänden erscheinen. Die Zeichnungen
(ca. 620 Seiten) sind bereits fertig. Bei der Arbeit am Manuskript hat sich gezeigt,
dass eine Neuübersetzung des Textes aus dem Mongolischen ins Deutsche
erforderlich ist. Dies würde voraussichtlich die Verfasserin dieses
Exposés, die Mongolistin und Literaturübersetzerin ist, übernehmen.
Berlin, Januar 2009