In freier Wildbahn erscheinen sie als zwei
Extreme – während die Schimpansen nahezu die einzigen Fleischfresser
(unter den Affen) sind, die wie der Mensch in Gruppen und mit selbst
hergestellten Speeren jagen, setzen die Bonobos am liebsten auf
Frieden. Sie legen Konflikte über den Akt der Fortpflanzung bei und
bewahren selbst ihre Toten innerhalb der Gemeinschaft auf. Im Bild wird
die markante Wesensverwandtschaft des Schimpansen mit dem Menschen
unter anderem am ähnlichen Sexualverhalten (Küssen, Geschlechtsverkehr)
demonstriert. Der wörtliche ‚Liebreiz‘ der Bonobos zeigt sich an
zahlreichen gemalten Pärchen, die eng aneinander geschmiegt kuscheln,
aber auch an
Müttern mit Jungtieren, die miteinander spielen und sich
umarmen. Aufgehoben wirkt eine Differenz zwischen Affe und Mensch
gänzlich in der Gestaltung der gelben
Nasenaffen, deren Gesichter der
Maler geradezu menschlich gestaltete. Außerdem strukturieren sie das
Bildfeld in Reihen hintereinander, die unterschiedliche Körperhaltungen
durchspielen und damit populäre Evolutionsgrafiken aufrufen (linke
Bildhälfte Mitte/ unten).
Damit dürfte bereits anhand der bisherigen Betrachtungen klar geworden
sein: Alle Figuren in diesem Bild sind eins! Es ist nicht nur das
Thema
Primaten, das den Menschen ins Tierreich einbindet, was zu sehen ist,
sondern eine
sichtbare Evolution in verschiedenen Stadien. Flora und
Fauna, diverse Tierklassen sowie der urzeitliche Übergang von den
Meeres- zu den Landtieren sind ebenso enthalten, wie lebensbedrohliche
Feinde einerseits, Fortpflanzung und Fertiliät andererseits. So ist es
auch nicht schlicht ‚Affenliebe‘, welche die
menschliche Figuration im
Bild demonstriert, sondern gerade diese
Fruchtbarkeit zyklischen
Lebens.
Daher sind OtGOs typische Menschenfiguren minimalistisch
ausformuliert, nackt, haarlos, aber deutlich an ihren
Geschlechtsmerkmalen zu erkennen. Zahlreiche Mütter mit Kindern lassen
sich ausmachen. Alle Figuren zeigen sich abwechslungsreich frontal, von
der Seite und als Rückenfiguren in allen möglichen Posen. Einige
weisen lang gestreckte Gliedmaßen, schwindelerregend schlanke Taillen
und große Füße auf und gleichen damit Models auf dem Catwalk. Aber was
eigentlich tun die menschlichen Figuren im Bild? Ihren Körperhaltungen
zufolge, so kann man erahnen, sind sie auf Reproduktion ausgerichtet.
Die Körper mit den abgespreizten Extremitäten führen nämlich nicht nur
Bewegungen aus, die bestenfalls wie Yoga-Asanas (zum Beispiel der
‚Hund‘), Turnübungen (Handstand) oder Ausdruckstanzelemente (Sprünge)
anmuten. Ihre Dehnübungen und Spagate könnten ebenso in einer Stunde
Beckenboden- oder Schwangerschaftsgymnastik vorkommen. Zudem erlauben
die oben erwähnten ‚Figurenschichtungen‘, ihre Kombinationen und
Berührungen sowie eine offensichtliche,
vom Kamasutra inspirierte
Bildstelle (oben rechts) dem Betrachter auch weiterführende
Assoziationsketten.
Die Abweichungen, die das
zweite Gemälde Kingdom of the Apes (2021,
2/3, 160 x 150 cm) vom ersten unterscheidet, mögen aus der Ferne
betrachtet weniger frappant ausfallen als jene des dritten Bildes. Doch
bei genauerem Hinsehen ist auch schon die
Bildstruktur des zweiten
Gemäldes auffallend anders. Der
Bildgrund erfährt eine stärkere
Verdichtung, einzelne Malschichten lassen sich weniger scheiden. Das
hängt auch mit dem
Malduktus zusammen, der zwangloser ausfällt, auch
werden im Streiflicht mehr Farbkrusten durch Übermalungen sichtbar. Der
innerbildliche Rahmen fehlt, sodass der Regenwald hier über die
Bildgrenzen hinweg zu wuchern vermag. Die Reihen der gelben
Nasenaffen
markieren das
Bildfeld in weiten Bögen wie Nähte oder Narben, dazu
strukturieren Schwärme von lila Rochen und ein großer Anteil fein
gegliederter, gelber und roter
Foliage das Bild.
Das
Kolorit bestimmen
hier die Mischfarben Orange und Violett, neben den Primärfarben Gelb
und Rot. Tiefes Ultramarinblau ergänzt die neue Farbverteilung.
Auch auf der Ebene der
Figuration gibt es diese Konzentration: Figuren
werden noch mehr aufeinander ‚geschoben‘, wirken ‚zusammengeballt‘ und
werden artenübergreifend ‚vermischt‘. So weiß beispielsweise ein
oranger
Orang-Utan inmitten eines Geflechts aus Nasenaffenschwänzen und
Rochen nicht mehr, wie ihm geschieht, wenn er gleichzeitig von fünf
Bonobos und drei Menschen umarmt und damit regelrecht ‚belagert‘ wird
(obere rechte Bildhäfte).
An derselben Affenart lassen sich im Bild auch die dazu konträren
‚Defigurationsprozesse‘
erkennen, da diese Figuren über die dünnen Lasuren für darunter
liegende Schichten des Blattwerks
‚durchlässig‘ werden, als drohten sie
wieder im Dickicht des Dschungels zu verschwinden. Dies kann
durchaus als Seitenhieb auf das Artensterben und die bedrohten
Tierarten gewertet werden! Noch häufiger aber fragmentieren
‚Figurenüberlagerungen‘ die Körper im Bild.
Andere Tierfiguren erfahren
eine ‚Umverteilung‘: Weniger
Zebras kommen zum Einsatz, dafür werden
die Wassertiere verstärkt. Unter die
Rochen mischen sich wimmelnde
Kaulquappen, abermals Tiere, die ein bestimmtes Entwicklungsstadium
(Larve der Froschlurche) anzeigen.
Erneut arbeitete der Maler die
Affen unter den gezeigten Primaten über
Konturen und Binnenstrukturen detaillierter aus als die Menschen.
Trotzdem kommen nicht so viele differenzierbare Arten vor wie im ersten
Bild.
OtGO konzentrierte sich auf die größeren Arten und vereinzelte
Individuen. Außerdem gibt es Affen, die in Blautönen gefasst sind, aber
anhand ihrer Körperformen nicht eindeutig zu identifizieren sind. Eine
neue Art taucht auf –
lilafarbene, weibliche Hybridwesen, die ebenso
füllige Leiber wie die meisten Frauenfiguren, dafür aber einen
Affenkopf und mehr oder weniger Fell aufweisen.
Bei den
Schimpansen und
Bonobos treten neben den schwarzen auch rote Figuren in Erscheinung.
Ein ‚Kippmoment‘ in der Darstellung offenbart sich dann, wenn diese
Affen in allzu menschlichem Gebaren Menschenkinder vor sich hertragen,
als wollten sie diese (man denke an ihr jeweiliges Naturell) entweder
zur Taufe oder zum Opfertisch bringen. Die
Gorillas sind im Allgemeinen
wieder graugrün – bis auf ein Individuum, das sich in Farbe und Größe
von den anderen abhebt: Ein wahrhaft königliches Gorillamännchen, das
die hellblau-graue Farbgebung als ein
Silberrücken ausweist.
Hellgelbe
Farbsprenkel überziehen das Fell, verleihen ihm Glanz und gemahnen an
Sternbilder. Größere orange Tupfen umgeben das Haupt wie ein Nimbus
oder eine Krone und strahlen auratisch zur Seite aus. Zwei gelbe
Nasenaffen sitzen auf seinen Schultern und zwei Menschenfiguren liegen
und knien zu seinen Füßen, als gebühre ihm ihre Ehrerbietung. Der
Gorillakönig befindet sich an bezeichnender Stelle unten auf der
Bilddiagonale – als Antagonist eines prächtigen
Tigers (oben rechts),
der einen solitären
Feind der Primaten verkörpert.
Die große Raubkatze
scheint gemäß der Schrittfolge im Gehen begriffen zu sein, dreht dabei
jedoch die Körperachse ein, um über einen Schulterblick aus dem Bild
heraus den Betrachter direkt zu fixieren. Für einen Moment könnte man
meinen, in ein Filmstill mit Shere Khan geraten zu sein. Und man
erinnert sich weiter – auch im
Königreich der Affen obliegt es dem
Regenten, seiner Gefolgschaft Schutz gegen Rivalen und andere Feinde zu
bieten, andernfalls werde er verlassen. Eine zweite bemerkenswerte
Figurenkonstellation verbindet diesen
Affenkönig mit einer weiblichen
Affenfigur in seiner unmittelbaren Umgebung (im Bild rechts nach oben
versetzt vom Gorillamännchen). Körperform und orange Fellfarbe sind
zwar den Orang-Utans dieses Bildes eigen. Seine Größe, die übergroßen,
in dramatischer Geste ausgestreckten ‚Greifhände‘ mit den langen
Fingern sowie die welken Brüste lassen dieses Weibchen jedoch als
groteske Gegenfigur zum Gorillamännchen erscheinen. Obgleich sein Blick
in ihre Richtung geht, geben die Beiden ein seltsam zusammengestelltes
Königspaar ab!