Triptych: Kingdom of the Apes by OtGO 2020–2021 acryl on canvas
Triptych: Kingdom of the Apes –1/3
Kingdom of the Apes – 1 by OtGO 312 x 312 cm












I wanna be like you! singt King Louie in Walt Disneys Zeichentrickfilm The Jungle Book (1967). Der tanzende Affenkönig will sein, gehen und sprechen wie ein Mensch und einen Deal aushandeln, um dem Jungen Mogli das Geheimnis der ‚roten Blume‘, des Feuermachens zu entlocken. Als Gegenleistung bietet der lernbegierige Orang-Utan dem Menschenkind an, es könne im Dschungel verbleiben. Doch der Mensch hat auf Dauer wenig im Dschungel ‚verloren‘ und es zieht ihn angesichts zahlreicher Gefahren und trotz seiner tierischen Familie, Freunde und Beschützer zur Menschensiedlung. Der erwachsene Zuschauer mag rätseln: Kommt Moglis Schritt über die Schwelle in die ‚Zivilisation‘ einem Initiationsritus gleich? Ist es eine Art Verbannung aus dem Paradies? Oder klafft hier schlicht die Kluft der Evolution auf?

Detailansicht: Triptych: Kingdom of the Apes –1/3
Detailansicht: Kingdom of the Apes – 1/3 312 x 312 cm
 
Der Maler OTGO spielt mit diesen Fragen in der dreiteiligen Bildfolge Kingdom of the Apes (1/1-1/3, 2020/21, Acryl auf Leinwand, Privatsammlungen). Unkonventionell ist sie, weil dieses Mal Wünsche von Sammlern die außergewöhnlichen Bildmaße (312 x 312 und 190 x 160 cm) bedingten. Gleichzeitig entsprechen diese Formate, ihre Anordnung und die getrennten Orte der Hängung formal gesehen nicht dem Bildtypus, der den Flügelaltar beerbte. Aber gerade der inhaltliche Konnex nebst integrativer Botschaft an die Spezies Mensch schmiedete sie im Atelier als Dreitafelbild zusammen und macht sie zu einer zeitgenössischen und eigenwilligen Variante des Triptychons. Zudem entspringt das Sujet einem persönlichen Faible für Affen seitens des Künstlers, das er während seiner Arbeit am wirbelnden Lebensstrom von Infinite 16 (2013-2020, Acryl auf Leinwand 213 x 650 cm) zu einer nächsten Bildidee formte. Dabei imaginierte er keine ‚hübsch sortierten‘ Dschungelabschnitte, in die noch die ‚Naiven‘ ihre Affen setzten. Man denke nur an Henri Julien Félix Rousseaus Ölgemälde, wie Tropical Forest with Monkeys (1910)1.
1 Öl auf Leinwand, 129,5 x 159,5 cm, National Gallery of Art, Washington D.C. Als weiteres treffendes Beispiel wäre auch The Merry Jesters, 1906, Öl auf Leinwand, 145,7 x 113,3 cm, Philadelphia Museum of Art zu nennen.



The Studio OTGO: The Kingdom of the Apes –1/3
Studio OtGO: Kingdom of the Apes – 1/3 312 x 312 cm

OTGOs Königreich der Affen versammelt die Familie der Primaten vor den Augen des Betrachters, wie beim Schauen durch ein Kaleidoskop voller bunter Farben, integriert Freund und Feind und weist darin gleichsam den menschlichen Figuren ihren genealogischen Zweig zu.

Da trifft es sich ausnehmend gut, einen weiteren filmischen Exkurs zu wagen. Denn nicht nur in Walt Disneys Zeichentrickwelten tobt ein ‚Affentanz‘ im Sinne King Louies‘. Unabhängig von OtGOs Bildidee sind unter dem englischen Titel The Kingdom of the Apes ebenso gleichlautende Dokumentarfilme des National Geographic Magazine zu finden. Und tatsächlich, es gibt sie – in der Folge Battle Lines werden die Königreiche der Affen tief in den Regenwäldern von Ruanda  und Tansania verortet. Dort leben ‚Affenkönige‘ wie Titus, ein mächtiger Silberrücken, der mehr als 20 Jahre eine große Gorilla-Gruppe anführt und beschützt. Oder die Schimpansenbrüder Froyd und Frodo, die miteinander um die dynastische Herrschaft streiten und sowohl den Rivalen als auch Krankheiten zu besiegen haben. Zu sehen bekommt man Hierarchien und Machtstrukturen in der jeweiligen ‚Affengesellschaft‘, die von Gewalt, Intrigen und Betrug geprägt sind. Das Vermögen der Affen, Entscheidungen herbeizuführen und auch von den anderen einzufordern, mutet an ‚politisches Kalkül’. Das übertrifft bei Weitem alltägliche Handlungen, wie vegetarische Nahrungsaufnahme respektive gemeinsames Jagen oder die Aufzucht der Jungtiere in beiden Gruppen. Beeindruckend sind nicht zuletzt die sensiblen, zärtlichen Verhaltensweisen des Miteinanders und die körperliche Nähe, wenn es beispielsweise darum geht, den ‚Gorillakönig‘ beim Sterben zu verabschieden. Dann wird einmal mehr deutlich, wie eng die Verwandtschaft unter den Primaten ist, das heißt im Besonderen, wie nahe sich Affe und Mensch wirklich stehen.


Zurück zu OtGOs erstem Acrylbild Kingdom of the Apes (1/3, 2020, 312 x 312 cm). In den Detailaufnahmen des Videos auf der Homepage werden der für den Künstler charakteristische Bildaufbau und die Bildstruktur deutlich: Den innerbildlichen Rahmen sowie den Bildgrund bedeckt ein ‚Meer‘ dichter, ornamentaler Blattstrukturen in unterschiedlichen Größen, meist in den Primärfarben Rot, Blau und Gelb auf Schwarz. Zahlreiche Malschichten bilden die Figuren über dünne, schwarze Tuschekonturen und den bunten Farbeintrag aus. Die Figuren verdichten, reihen, überlagern, vernetzen sich und wirken dabei wie organische Nervenknoten, die über den Bildträger wachsen.

Detailansicht: Triptych: Kingdom of the Apes –1/3
Detailansicht: Kingdom of the Apes – 1/3

Diese flächige, mit dem Zeichentrick verwandte Figuration findet sich auf allen dreien Gemälden,  wie auch der Farbauftrag bezeichnenderweise Lasuren und opake Partien abwechselt, was für Spannung an der Bildoberfläche sorgt. OtGOs Signaturen aus Daumenabdruck und vertikalem Namenszug fügen sich in Weiß zwischen Bildgrund und ‚Figurengeflecht‘.

Innerhalb des ersten Bildes überwiegen beim Kolorit Gelb und Blau in verschiedenen Nuancen. Rottöne und dazu komplementäres Hellgrün sorgen für einen heterogenen Ausgleich. ‚Einsprengsel‘ sind dann die Farben Schwarz und Weiß. Über ein helles Inkarnat sowie Blau- und Gelbtöne fügen sich die menschlichen Figuren in die Palette ein.
Zentrale Figuren im dichten Gedränge des Bildfeldes sind eben jene Primaten, Affen und menschlichen Figuren, denen sich der Textverlauf noch en détail widmen wird. Weitere Tierfiguren lassen sich sukzessive bestimmen: Darunter sind andere Säugetiere (Zebras) und – überraschenderweise fern jedes nassen Elementes –  auch Knorpelfische (Rochen) und Reptilien (Krokodil, Alligator, Schildkröte). Die weißen und gelben, ‚gesichtslosen‘ Zebras sind ein beliebtes Motiv in OtGOs Werken, da er gerade dieses Wildtier wegen der ihm ureigenen Unbezähmbarkeit schätzt. Die Rochen in den Primärfarben Blau, Gelb und Rot übernehmen hingegen eine strukturierende Funktion, da sie die Malschichten im Bild miteinander zu verknüpfen vermögen.

Detailansicht: Triptych: Kingdom of the Apes –1/3
Detailansicht: Kingdom of the Apes – 1/3

Dies geschieht über die Linienführungen ihrer extralangen Schwänze und die blattförmigen Körper, die dem Betrachter Fäden und Knoten in einem Wandteppich ins Gedächtnis rufen. Offenkundig entwickeln die Rochen dabei auch eine ornamentale Qualität, die sich kunsthistorisch im weitesten Sinne als eine zeitgenössische Referenz auf die Pflanzenornamentik des Jugendstils lesen ließe.
Krokodil, Alligator und Schildkröte sind nicht nur alle in Gelb gefasst, sondern fallen unter ein gemeinsames Taxon, die Sauropsiden, zu denen (neben den Vögeln) auch die in Urzeiten ausgestorbenen Arten der Dinosaurier zählen. Im Bild stellen sie die Feinde der Primaten dar, was die Darstellung über das geöffnete Krokodilmaul mit den bedrohlichen Zähnen realisiert.

Detailansicht: Triptych: Kingdom of the Apes –1/3
Detailansicht: Kingdom of the Apes – 1/3

Andererseits nivelliert der Maler gleichzeitig die Gefahr mit einem Augenzwinkern, wenn er jenes Reptil und einen grünen Orang-Utan daneben, mit der gleichen Mimik und Fußhaltung, anthropomorph wie zwei dialogisierende Philosophen in der Wildnis zeigt.
Darüber hinaus möchte man meinen, dass die Malerei die für den Prozess der Entstehung des Lebens so elementare Grenze von Meer und Land (Wald) im Zusammenbringen der aufgeführten Tierklassen kurzerhand aufgehoben hat. Manches Mal erinnern die Figuren vielmehr abstrakt gedacht,  ob einzeln oder in Formationen vertreten, in ihrer Fülle an kosmische Nebel, Gruppen von Fallschirmspringern und Kunstschwimmern, denn an die tierischen Vorbilder in freier Wildbahn. Maltechnik und übergreifende Bildstruktur wiederum legen einmal mehr den Eindruck eines farbenfrohen Gobelins nahe.


In Anbetracht der Artenvielfalt und ihrer unüberschaubaren Darstellung im Bild, findet der Betrachter sich unwillkürlich in der Rolle eines Affenforschers auf Tropenexpedition durch den ‚Figurenwald‘ wieder: Da geht es zunächst einmal darum, die unterschiedlichen Affenarten auf dem Großformat zu erspähen, sie anhand ihrer ‚Formen‘ zu bestimmen und ‚Farben‘ zuzuordnen, die kaum den Gegebenheiten in der Natur entsprechen. Angefangen mit dem realen Ahnherren von King Louie, dem Orang-Utan, dessen Stellvertreter sich hier überraschenderweise in Grün und ohne Königswürde präsentieren. Dafür aber mimen sie die Hofnarren, indem sie das Größere der beiden Krokodile, die Schildkröte und einen Rochen neckend am Schwanz ziehen (siehe linke Bildhälfte). Wahrhaft königlich schreitend, aufrecht stehend oder friedlich in einer Großgruppe beisammen sitzend, zeigen sich dagegen Figurationen des Gorillas in Blaugrün und Gelb gehalten (größtenteils in der rechten Bildhälfte).

Detailansicht: Triptych: Kingdom of the Apes –1/3
Detailansicht: Kingdom of the Apes – 1/3

Im ‚königlichen Gefolge‘ finden sich weiter blaue Paviane (obere Bildhälfte)

Detailansicht: Triptych: Kingdom of the Apes –1/3
Detailansicht: Kingdom of the Apes – 1/3

sowie orange und weiße  Langschwanzmakaken (unterer und rechter Bildrand). Die weißen und blauen Hanuman-Languren stechen aus der Masse hervor – es sind hübsche Schlankaffen mit schwarzem Antlitz (obere linke Bildhälfte).
Unter die ‚Höflinge‘ mischen sich außerdem zwei eng verwandte Familien, die auf der Leinwand anhand der schwarzen Farbe und des nahezu identischen Aussehens schwer auseinanderzuhalten sind: Schimpansen und Bonobos (Zwergschimpansen).











Quellen (Auswahl)

Bild. Gorilla-Baby im Zoo Berlin geboren/ Youtube (12.03.2021).
Künstlergespräch mit OtGO am 08.03.2021.
museenkoeln/ Nana oder Niki? Bild der 42. Woche 15-21. Oktober 2007 (21.03.2021).
National Geographic Channel Wild/ Ape Genius , Documentary HD 2017. (https://www.youtube.com/watch?v=dKwlhVNish0 , 03.03.2021).
National Geographic Channel Wild/ Kingdom of the Apes, Battle Lines, Documentary HD 2018. (https://www.youtube.com/watch?v=oxU5BknIuSI, 12.03.2021).
naturhistorisches Museum Wien/ Venusforschung (21.03.2021).
The Jungle Book, I wanna be like you, Youtube (15.03.2021).
Zoo und Tierpark Berlin. Nachwuchs bei den Gorillas im Zoo Berlin
(15.03.2021).





Triptych: Kingdom of the Apes –2/3
Kingdom of the Apes – 2 by OtGO 160 x 150 cm






Andrea Gamp

Konstanz – Berlin, März 2021
OtGO: Triptych Kingdom of the Apes
-- The text in English  --




Detailansicht: Triptych: Kingdom of the Apes –1/3
Detailansicht: Kingdom of the Apes – 1/3

In freier Wildbahn erscheinen sie als zwei Extreme – während die Schimpansen nahezu die einzigen Fleischfresser (unter den Affen) sind, die wie der Mensch in Gruppen und mit selbst hergestellten Speeren jagen, setzen die Bonobos am liebsten auf Frieden. Sie legen Konflikte über den Akt der Fortpflanzung bei und bewahren selbst ihre Toten innerhalb der Gemeinschaft auf. Im Bild wird die markante Wesensverwandtschaft des Schimpansen mit dem Menschen unter anderem am ähnlichen Sexualverhalten (Küssen, Geschlechtsverkehr) demonstriert. Der wörtliche ‚Liebreiz‘ der Bonobos zeigt sich an zahlreichen gemalten Pärchen, die eng aneinander geschmiegt kuscheln, aber auch an Müttern mit Jungtieren, die miteinander spielen und sich umarmen. Aufgehoben wirkt eine Differenz zwischen Affe und Mensch gänzlich in der Gestaltung der gelben Nasenaffen, deren Gesichter der Maler geradezu menschlich gestaltete. Außerdem strukturieren sie das Bildfeld in Reihen hintereinander, die unterschiedliche Körperhaltungen durchspielen und damit populäre Evolutionsgrafiken aufrufen (linke Bildhälfte Mitte/ unten).

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Detailansicht: Kingdom of the Apes – 1/3 Nasenaffen

Damit dürfte bereits anhand der bisherigen Betrachtungen klar geworden sein: Alle Figuren in diesem Bild sind eins! Es ist nicht nur das Thema Primaten, das den Menschen ins Tierreich einbindet, was zu sehen ist, sondern eine sichtbare Evolution in verschiedenen Stadien. Flora und Fauna, diverse Tierklassen sowie der urzeitliche Übergang von den Meeres- zu den Landtieren sind ebenso enthalten, wie lebensbedrohliche Feinde einerseits, Fortpflanzung und Fertiliät andererseits. So ist es auch nicht schlicht ‚Affenliebe‘, welche die menschliche Figuration im Bild demonstriert, sondern gerade diese Fruchtbarkeit zyklischen Lebens.

Detailansicht: Triptych: Kingdom of the Apes –1/3
Detailansicht: Kingdom of the Apes – 1/3

Daher sind OtGOs typische Menschenfiguren minimalistisch ausformuliert, nackt, haarlos, aber deutlich an ihren Geschlechtsmerkmalen zu erkennen. Zahlreiche Mütter mit Kindern lassen sich ausmachen. Alle Figuren zeigen sich abwechslungsreich frontal, von der Seite und als Rückenfiguren in allen möglichen Posen. Einige weisen lang gestreckte Gliedmaßen, schwindelerregend schlanke Taillen und große Füße auf und gleichen damit Models auf dem Catwalk. Aber was eigentlich tun die menschlichen Figuren im Bild? Ihren Körperhaltungen zufolge, so kann man erahnen, sind sie auf Reproduktion ausgerichtet. Die Körper mit den abgespreizten Extremitäten führen nämlich nicht nur Bewegungen aus, die bestenfalls wie Yoga-Asanas (zum Beispiel der ‚Hund‘), Turnübungen (Handstand) oder Ausdruckstanzelemente (Sprünge) anmuten. Ihre Dehnübungen und Spagate könnten ebenso in einer Stunde Beckenboden- oder Schwangerschaftsgymnastik vorkommen. Zudem erlauben die oben erwähnten ‚Figurenschichtungen‘, ihre Kombinationen und Berührungen sowie eine offensichtliche, vom Kamasutra inspirierte Bildstelle (oben rechts) dem Betrachter auch weiterführende Assoziationsketten.


Die Abweichungen, die das zweite Gemälde Kingdom of the Apes (2021, 2/3, 160 x 150 cm) vom ersten unterscheidet, mögen aus der Ferne betrachtet weniger frappant ausfallen als jene des dritten Bildes. Doch bei genauerem Hinsehen ist auch schon die Bildstruktur des zweiten Gemäldes auffallend anders. Der Bildgrund erfährt eine stärkere Verdichtung, einzelne Malschichten lassen sich weniger scheiden. Das hängt auch mit dem Malduktus zusammen, der zwangloser ausfällt, auch werden im Streiflicht mehr Farbkrusten durch Übermalungen sichtbar. Der innerbildliche Rahmen fehlt, sodass der Regenwald hier über die Bildgrenzen hinweg zu wuchern vermag. Die Reihen der gelben Nasenaffen markieren das Bildfeld in weiten Bögen wie Nähte oder Narben, dazu strukturieren Schwärme von lila Rochen und ein großer Anteil fein gegliederter, gelber und roter Foliage das Bild.

Detailansicht: Triptych: Kingdom of the Apes –2/3
Detailansicht: Kingdom of the Apes – 2/3

Das Kolorit bestimmen hier die Mischfarben Orange und Violett, neben den Primärfarben Gelb und Rot. Tiefes Ultramarinblau ergänzt die neue Farbverteilung.
Auch auf der Ebene der Figuration gibt es diese Konzentration: Figuren werden noch mehr aufeinander ‚geschoben‘, wirken ‚zusammengeballt‘ und werden artenübergreifend ‚vermischt‘. So weiß beispielsweise ein oranger Orang-Utan inmitten eines Geflechts aus Nasenaffenschwänzen und Rochen nicht mehr, wie ihm geschieht, wenn er gleichzeitig von fünf Bonobos und drei Menschen umarmt und damit regelrecht ‚belagert‘ wird (obere rechte Bildhäfte).

Detailansicht: Triptych: Kingdom of the Apes –2/3
Detailansicht: Kingdom of the Apes – 2/3

An derselben Affenart lassen sich im Bild auch die dazu konträren ‚Defigurationsprozesse‘ erkennen, da diese Figuren über die dünnen Lasuren für darunter liegende Schichten des Blattwerks ‚durchlässig‘ werden, als drohten sie wieder im Dickicht des Dschungels  zu verschwinden. Dies kann durchaus als Seitenhieb auf das Artensterben und die bedrohten Tierarten gewertet werden! Noch häufiger aber fragmentieren ‚Figurenüberlagerungen‘ die Körper im Bild. Andere Tierfiguren erfahren eine ‚Umverteilung‘: Weniger Zebras kommen zum Einsatz, dafür werden die Wassertiere verstärkt. Unter die Rochen mischen sich wimmelnde Kaulquappen, abermals Tiere, die ein bestimmtes Entwicklungsstadium (Larve der Froschlurche) anzeigen.

Erneut arbeitete der Maler die Affen unter den gezeigten Primaten über Konturen und Binnenstrukturen detaillierter aus als die Menschen. Trotzdem kommen nicht so viele differenzierbare Arten vor wie im ersten Bild. OtGO konzentrierte sich auf die größeren Arten und vereinzelte Individuen. Außerdem gibt es Affen, die in Blautönen gefasst sind, aber anhand ihrer Körperformen nicht eindeutig zu identifizieren sind. Eine neue Art taucht auf – lilafarbene, weibliche Hybridwesen, die ebenso füllige Leiber wie die meisten Frauenfiguren, dafür aber einen Affenkopf und mehr oder weniger Fell aufweisen.

Detailansicht: Triptych: Kingdom of the Apes –2/3
Detailansicht: Kingdom of the Apes – 2/3

Bei den Schimpansen und Bonobos treten neben den schwarzen auch rote Figuren in Erscheinung. Ein ‚Kippmoment‘ in der Darstellung offenbart sich dann, wenn diese Affen in allzu menschlichem Gebaren Menschenkinder vor sich hertragen, als wollten sie diese (man denke an ihr jeweiliges Naturell) entweder zur Taufe oder zum Opfertisch bringen. Die Gorillas sind im Allgemeinen wieder graugrün – bis auf ein Individuum, das sich in Farbe und Größe von den anderen abhebt: Ein wahrhaft königliches Gorillamännchen, das die hellblau-graue Farbgebung als ein Silberrücken ausweist.

Detailansicht: Triptych: Kingdom of the Apes –2/3
Detailansicht: Kingdom of the Apes – 2/3

Hellgelbe Farbsprenkel überziehen das Fell, verleihen ihm Glanz und gemahnen an Sternbilder. Größere orange Tupfen umgeben das Haupt wie ein Nimbus oder eine Krone und strahlen auratisch zur Seite aus. Zwei gelbe Nasenaffen sitzen auf seinen Schultern und zwei Menschenfiguren liegen und knien zu seinen Füßen, als gebühre ihm ihre Ehrerbietung. Der Gorillakönig befindet sich an bezeichnender Stelle unten auf der Bilddiagonale – als Antagonist eines prächtigen Tigers (oben rechts), der einen solitären Feind der Primaten verkörpert.

Detailansicht: Triptych: Kingdom of the Apes –2/3
Detailansicht: Kingdom of the Apes – 2/3

Die große Raubkatze scheint gemäß der Schrittfolge im Gehen begriffen zu sein, dreht dabei jedoch die Körperachse ein, um über einen Schulterblick aus dem Bild heraus den Betrachter direkt zu fixieren. Für einen Moment könnte man meinen, in ein Filmstill mit Shere Khan geraten zu sein. Und man erinnert sich weiter – auch im Königreich der Affen obliegt es dem Regenten, seiner Gefolgschaft Schutz gegen Rivalen und andere Feinde zu bieten, andernfalls werde er verlassen. Eine zweite bemerkenswerte Figurenkonstellation verbindet diesen Affenkönig mit einer weiblichen Affenfigur in seiner unmittelbaren Umgebung (im Bild rechts nach oben versetzt vom Gorillamännchen). Körperform und orange Fellfarbe sind zwar den Orang-Utans dieses Bildes eigen. Seine Größe, die übergroßen, in dramatischer Geste ausgestreckten ‚Greifhände‘ mit den langen Fingern sowie die welken Brüste lassen dieses Weibchen jedoch als groteske Gegenfigur zum Gorillamännchen erscheinen. Obgleich sein Blick in ihre Richtung geht, geben die Beiden ein seltsam zusammengestelltes Königspaar ab!

Detailansicht: Triptych: Kingdom of the Apes –2/3
Detailansicht: Kingdom of the Apes – 2/3    













Triptych: Kingdom of the Apes –3/3
Kingdom of the Apes – 3 by OtGO 190 x 160 cm












Ein weiterer kurioser ‚Wandel‘ im Gemälde Kingdom of the Apes 2/3: Die meisten menschlichen Figuren sind beleibte Frauen. Der Maler OtGO erklärte dies im Künstlergespräch zur Hommage auf die barocken Frauenfiguren des großen Flamen Peter Paul Rubens2. Geht man über das Medium Malerei und die Zeichnung als Flächenkünste hinaus, so stellen zwei kunstgeschichtliche Extreme, wie steinzeitliche Venusfigurinen
3 oder Niki de Saint Phalles‘ Nana-Plastiken4  ebenso geeignete Vorbilder hinsichtlich entsprechender Körperbilder dar. Tatsächlich kommen in OTGOs zweitem Gemälde nur wenige Dünne vor, die in grazilen Schwimmbewegungen durch ein Bildfeld voller ‚Curvy-Models‘ zu wirbeln scheinen. Anhand der zahlreichen Babys, Kleinkinder und Mutter-Kind-Konstellationen möchte man als Betrachter diesen Eindruck womöglich revidieren und auf Schwangere schließen. Die wimmelnden Kaulquappen im Umfeld der Frauenkörper als Hinweis auf Befruchtung machen eine solche These plausibel. Demnach kann man annehmen, die ‚Reproduktionsbemühungen‘ aus dem ersten Bild haben wörtlich ‚gefruchtet‘ und entblößten sich  im zweiten Bild als ‚Figuren gewordene Wachstumsphasen‘.
2 Beispielsweise Vier Studien nackter Frauen, um 1595, Feder und braune Tinte auf Papier, 174 x 128 mm, Musée du Louvre Paris.
3 Bekannt ist besonders die Venus von Willendorf, ca. 29500 Jahre alt, Oolith und Rötel, 11cm x O.A., Naturhistorisches Museum Wien.
4 Zum Beispiel Black Nana, 1968/69, bemaltes Polyester, 293 x 200 x 120 cm, Museum Ludwig Köln.



The Kingdom of the Apes (3/3,
2021, 190 x 160 cm) ist in vielerlei Hinsicht als Klimax des arrangierten Triptychons angelegt: Schon das Kolorit wird über kräftige Komplementärkontraste aus Lila und Gelb sowie Rotorange und Dunkelgrün merklich aufgefrischt.

Detailansicht: Triptych: Kingdom of the Apes –3/3
Detailansicht: Kingdom of the Apes – 3/3

Wie im ersten Bild gibt es einen innerbildlichen Rahmen und viel ornamentale Vegetation, dafür aber eine auffallend andere Binnenstruktur des Bildfeldes. Gleichmäßig verteilt finden sich darin ‚Inseln‘ aus kleinteiligem, grünen Blattwerk mit Farbverläufen. Diese tragen dazu bei, dass das Bildfeld aus der Ferne betrachtet wie pulsierend oder sogar von Zellhaufen durchwirkt anmutet. Um diese ‚Nester‘ herum ‚tobt das wilde Leben‘ in neu komponierter Figuration.
Zu den bekannten Wassertieren (Rochen, Kaulquappen) gesellen sich auch wieder weiße und gelbe Zebras sowie weitere gestreifte Huftiere, die Okapis (Waldgiraffen).

Detailansicht: Triptych: Kingdom of the Apes –3/3
Detailansicht: Kingdom of the Apes – 3/3

Sie sind eine besonders gefährdete Art, was im Bild über den außergewöhnlichen Übergang von Opazität (in den Streifen) zu Transparenz (am restlichen Körper) innerhalb jeder Einzelfigur eingefangen wird. Das heißt, maltechnisch wird das drohende Verschwinden dieser Tierart über Lasuren nachvollzogen. Ein besonders exotisches Paar, weiß-schwarze kleine Ameisenbären (Tamanduas) tummeln sich (am rechten Bildrand) unterhalb eines liegenden Löwen.

Detailansicht: Triptych: Kingdom of the Apes –3/3
Detailansicht: Kingdom of the Apes – 3/3

Bemerkenswert, wie sich der ‚König der Tiere‘ im Bildfeld an den Bildrändern positioniert hat – sowohl in Rudeln mit spielenden Jungtieren, als auch als einzelnes Männchen in Seitenansicht. Der Löwe als Feind der Primaten hat sich hier vielfach vermehrt und scheint alle Übrigen vom Waldrand aus nicht mehr aus den Augen zu lassen!

Detailansicht: Triptych: Kingdom of the Apes –3/3
Detailansicht: Kingdom of the Apes – 3/3

Graue Affenfamilien und Paare bewohnen die auffälligen Nester, in denen sie sich jeweils mittig platzieren und eng aneinander kauern. Lediglich ein einziges Nest beherbergt ein völlig vereinsamtes Exemplar als abgewandte Rückenfigur. Grüne Farbabstufungen lassen die Affen mit der Vegetation verschmelzen und geben den Nestern damit den Anschein von Verstecken oder grünen Tümpeln im Regenwald. Die Körperform, die graue Farbgebung sowie der figurative Zusammenschluss bringen den Betrachter alias Affenforscher auf die Spur von Japanmakaken. Die Affenart ist dafür berühmt, in matrilinearen Gruppen zusammenzuleben und ein Körperpflege-Ritual in heißen Quellen zu zelebrieren, das wiederum den sozialen Zusammenhalt der Badenden stärkt. Im Bild mag es sich zugegebenermaßen nur um ein ‚Blätterbad‘ handeln – der Maler OTGO folgt nicht akribisch den Naturgesetzen des Realraums, sondern arbeitet mit Inspirationen aus dem Gedächtnis.
‚Alte Bekannte‘ sind die Schimpansen und Bonobos. Ohne Zweifel übernehmen sie, wie in vielen von OTGOs Gemälden, wieder einen närrischen Part in der Darstellung. Ihre Faxen bestehen darin, sich wahlweise gleichsam einer Polonaise um eine ‚grüne Insel‘ der Japanmakaken zu scharen oder alternativ die im Bildprogramm fest verankerten Rochen frech als ‚Klettergerüste‘ zu nutzen. Zuletzt spielen sie mit den Knorpelfischen Lasso oder halten sie an den langen Schwanzflossen, wie man einen Strauß Helium-Luftballons hält  (Mitte/ rechte Bildhälfte, rechter Bildrand oben).

Detailansicht: Triptych: Kingdom of the Apes –3/3
Detailansicht: Kingdom of the Apes – 3/3

Selbst ihre nächsten Verwandten, die Menschen müssen für ‚Spielchen‘ herhalten – und werden kurzerhand zu Reittieren für übermütige Affenjungen (unterer Bildrand). Und dann ist da natürlich auch die Königsfamilie – Figurationen der Gorillas, die in diesem Bild in der Signalfarbe Rotorange eingearbeitet wurden. Diese Farbgebung nimmt dieses Mal auch das königliche Männchen nicht aus – dennoch ist es anhand seiner Größe, des Geparden auf seinen Schultern und anhand des ‚streuenden‘ Nimbus aus Farbklecksen als solches identifizierbar. Interessanterweise ist der feine Glanz auf dem Fell des Vorgängers bei diesem Individuum den Raubkatzenflecken gewichen, als ob sie von der Figur auf den Schultern auf den Affen ‚überspringen‘ würden. Man könnte durchaus von einer ‚Figurentransformation‘ sprechen, welche die Inkarnation des Königlichen verstärkt.

Detailansicht: Triptych: Kingdom of the Apes –3/3
Detailansicht: Kingdom of the Apes – 3/3

Die weiblichen lila Affen als Mischwesen haben inzwischen jede Menge Nachkommen im Bild verteilt.  Überhaupt setzen sich die Mutter-Kind-Konstellationen unter den Primaten weiter durch. Während im zweiten Bild noch zahlreiche menschliche Kleinkinder auf dem Bauch gerollt auf Rochen liegen und entfernt den Māori-Mythos aus dem Kinderfilm Whale Rider (2002) wachrufen, sind sie in Kingdom of the Apes 3/3 diesem Stadium teilweise schon entwachsen und treten als eigenständige Figurengruppe auf (rechter Bildrand).

Detailansicht: Triptych: Kingdom of the Apes –3/3
Detailansicht: Kingdom of the Apes – 3/3

Die  Bewegungen der Frauen beschreiben abermals Schwimmen und Tanzen, sie nehmen aber auch ruhende Positionen ein: Aktion und Kontemplation. Weiter  deuten einige menschliche Figuren bereits eine höhere Seinsstufe an, da sie in weißen Körpern auftreten, jener Farbe, die OTGO üblicherweise den Tieren als „Geistwesen“ zuordnet. „Das war Zufall“, kommentiert der Maler – aber auch dieser hat seine Berechtigung in der Evolution der Arten und im zyklischen Werden des Lebens.

Was die Zukunft bringen mag? Auf diesen abschließenden Gedanken antwortet OTGOs Malerei mit zwei passenden Figuren – wilden ‚Zebra-Frauen‘ (am Bildrand links unten)! Die weisen auf ein weiteres Triptychon voraus, an dem der Künstler aktuell noch arbeitet und pflanzen zugleich die Fragen fort:  Produzieren sich diese beiden Figuren in schriller Kostümierung, einem übergezogenen Morphsuit in einer fortbestehenden Spaßgesellschaft? ‚Sich-zum-Affen-Machen‘ hat dabei am wenigsten mit den Tieren gemein. Oder werden es Hybride sein? Und, noch ein offenes Ende: Wie weit will sich der ‚Affe Mensch‘ eigentlich noch von seinen Ursprüngen distanzieren, bis er endlich begreift, was er damit anrichtet?

Detailansicht: Triptych: Kingdom of the Apes –3/3
Detailansicht: Kingdom of the Apes – 3/3












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